Fünf oder mehr Parteien gehören in die Regierung  

Seit 2003 ist die Zauberformel tot. Sie wurde vor 20 Jahren mit der Abwahl von Ruth Metzler beerdigt. Umso unverständlicher, wenn der Historiker Urs Altermatt im Interview gefragt wird: «Ist die Zauberformel von 1959 am Ende?» Jahrelang wurde sie zu Recht nicht mehr bemüht. In jüngerer Zeit haben jene sie wieder entdeckt, die damit ihre Macht absichern wollen. Und viele Medien hinterfragen das nicht.

Eine Partei mit 14,3 Prozent Wahlanteil – wie momentan die FDP – hat in einer siebenköpfigen Regierung sicher keinen Anspruch auf zwei Sitze. Eine andere Partei mit 14,1 Prozent Wahlanteil (Die Mitte) genauso wenig. Generell könnte man sich darauf verständigen: Wer weniger als ein Sechstel aller Stimmen hat, kann nicht zwei von sieben Sitzen beanspruchen. Darum glaube ich nicht daran, dass eine Rotationsformel im Sinne von Herrn Altermatt das System besser abbildet. Dieser Vorschlag ist sehr statisch: Er geht erstens von kaum verrückbaren Parteistärken aus, und zweitens von einer konstanten Nähe zwischen den Parteien FDP und Mitte. Es gibt jedoch nicht selten gemeinsame Positionen von FDP, glp, GRÜNE und SP, aber ohne die Mitte-Partei, zum Beispiel bei den Themen Individualbesteuerung oder religiöse Toleranz. Wechselnde Mehrheiten sind für die Identität unseres Landes bedeutsam.

Jahrzehntelang deckten vier Parteien einen Grossteil des gesamten Wählerspektrums ab, und sie hatten gleichzeitig Einsitz im Bundesrat. Seit einiger Zeit stimmt das nicht mehr: Rund ein Viertel aller Wählerinnen und Wähler können sich in der Regierung nicht vertreten fühlen. Das ist ein Risiko für unser Land. Vergleichen wir doch mit Kantonen oder Gemeinden. Es gibt zahlreiche 7-köpfige Regierungen, in denen fünf oder sogar sechs Parteien vertreten sind. Es gibt Regierungen mit 5 Sitzen aus 5 Parteien, aktuell zum Beispiel im Kanton Baselland oder in der Stadt Olten. Angesichts der aktuellen Parteienvielfalt auf nationaler Ebene wäre es nicht nur mathematisch korrekt, sondern auch strategisch angezeigt, den Bundesrat aus fünf oder sechs Parteien zusammenzusetzen. Und natürlich mit fähigen, gestaltungswilligen Personen.

Felix Wettstein, Nationalrat GRÜNE, Olten
(abgedruckt am 30.11.23 in Oltner Tagblatt / Solothurner Zeitung / Grenchner Tagblatt)