In der Herbstsession haben wir definitiv beschlossen, wie die Schweiz ihre Coronaschulden tilgen will: Dieses Geschäft hatten wir in der Finanzkommissionen vorbereitet. Aktuell betragen die Schulden rund 27 Milliarden Franken. Würden wir keinen spezifischen Beschluss fassen, dann käme das geltende Gesetz über die Schuldenbremse zur Anwendung. Dieses verpflichtet den Bund, Schulden innert sechs Jahren vollständig abzutragen. Wir müssten also sechs Jahre lang im Schnitt viereinhalb Milliarden Überschüsse erzielen: Ohne massive Steuererhöhungen ein unmögliches Unterfangen.  

Allerdings ginge es auch anders. Seit 2003 hat die Eidgenossenschaft nämlich fast jedes Jahr Überschüsse erzielt. Diese wurden dem so genannten «Ausgleichskonto» zugewiesen, ein Konto für ausserordentliche Fälle. Über die Jahre ist es auf fast 30 Milliarden Franken angewachsen. Anders gesagt: Die Coronaschulden könnten auf einen Schlag vollständig ausgeglichen werden. Das hatten wir GRÜNE in der Vernehmlassung auch so gefordert.

In dieser Vernehmlassung, die im letzten Winter durchgeführt wurde, haben sich die meisten bürgerlichen Parteien und auch die meisten Kantone für eine «Moitié-Moitié-Lösung» ausgesprochen: Die Hälfte der aufgelaufenen Coronaschuld soll mit dem erwähnten Ausgleichskonto gedeckt werden, die andere Hälfte müsste in der Zukunft kompensiert werden, wobei man sich neun und nicht nur sechs Jahre Zeit geben will. In der Finanzkommission führten wir in der Folge Anhörungen durch, wir hatten mehrere Ökonomen (genau: Männer) zu Gast, die ihrerseits unterschiedliche Parteipräferenzen abdeckten. Sie kamen aber übereinstimmend zur Empfehlung, dass die Version halbe-halbe das beste für die Schweiz sei.

Dessen ungeachtet hat der Bundesrat, an der Spitze Finanzminister Ueli Maurer, uns im Parlament empfohlen, das Ausgleichskonto nicht zu nutzen und die gesamte Schuld auf die Zukunft zu übertragen; bloss soll vier Jahre länger Zeit bleiben (bis 2035). Im Nationalrat hatten wir das Geschäft im Sommer als erste zu beraten, mit Unterstützung von Mitte und FDP erreichten wir eine komfortable Mehrheit für Moitié-Moitié. Nun war das Geschäft zu Beginn der Herbstsession im Ständerat, und dessen Mehrheit wollte davon nichts wissen (obwohl sich ja fast alle Kantone dafür ausgesprochen hatten), sondern folgte der Linie des Finanzministers. In der Differenzbereinigung kam das Geschäft zu uns in den Nationalrat zurück, und nun kippten FDP und Mitte; zusammen mit der SVP obsiegte nun jener Weg, der die Schweiz zwingt, in den kommenden 13 Jahren jährlich eine Milliarde Überschüsse zu generieren, bis die Coronaschuld abgebaut ist.

Dieser Vorgang mutet aus verschiedenen Gründen seltsam an. Wir wissen nämlich inzwischen, dass der Bundeshaushalt ab 2024 mit wachsenden Defiziten rechnen muss. Wichtigster Treiber ist der Beschluss (der bürgerlichen Mehrheit), das Armeebudget aufzustocken. Auch die Kosten für der Nachrichtendienst steigen beträchtlich. Und natürlich braucht es auch neue Mittel, wenn nun der Gegenvorschlag der Gletscherinitiative und die Pflegeinitiative umgesetzt werden. Zudem ist bekannt geworden, dass die Nationalbank – stand heute – Ende Jahr rein gar nichts ausschütten wird, und auch für die weiteren Jahre ist es absolut offen, ob von der SNB noch etwas kommen wird. Mit dieser Gewinnausschüttung hatte der Bundesrat nämlich gerechnet, als er seinen Vorschlag für den Coronaschuldenabbau ausarbeitete.

Die Eidgenossenschaft steuert also wissentlich und willentlich auf ein Spar- und Abbauprogramm zu. Die bürgerliche Politik hat sichtbar (Schaden-)Freude an diesen Aussichten. Derweil bleibt das Ausgleichskonto unangetastet – «für ausserordentliche Ereignisse». Was war Corona, wenn nicht ein ausserordentliches Ereignis? Mein Votum im Rat