Die Bundesratswahl war DAS Ereignis der Session. Für uns GRÜNE ist Gerhard Andrey ins Rennen gestiegen, um einen FDP-Sitz anzugreifen. Auch wenn er kein besonders gutes Resultat erzielt hat, sind wir uns in der Partei und Fraktion einig: Es war sehr gut und sehr wichtig, dass wir angetreten sind. Und Gerhard hat das ausgezeichnet gemacht. Wo immer er den Medien Red und Antwort stand, wo immer er eingeladen wurde, konnte er die Zuhörenden und Zuschauenden überzeugen, dass er ein grossartiger Bundesrat wäre: mit seiner Fachkompetenz, seiner Führungserfahrung, seinem klaren grünen Wertefundament, seiner Integrationsfähigkeit und seiner Menschlichkeit.

Ich habe das Glück, mit Gerhard Andrey sehr oft zusammenzuarbeiten. Wir waren bereits in der letzten Legislatur gemeinsam in der Finanzkommission des Nationalrats und sind es auch weiterhin. Er ist nicht nur für unsere Fraktion, sondern für den ganzen Rat der versierte Spezialist für alles, was mit Informationstechnologien zu tun hat. Und er ist jener Parlamentarier, der wie kein anderer der Nationalbank auf die Finger klopft und kritische Fragen stellt – weil er eben weiss, wovon er spricht.

Es war wirklich auffallend, dass zwar von vielen Seiten Widerstand gegen einen Bundesratssitz der GRÜNEN kam, dass aber niemand etwas gegen Gerhard Andrey zu sagen wusste. Die Argumente, warum es gerade jetzt nicht opportun sei, einen GRÜNEN in den Bundesrat zu wählen, waren manchmal zum Staunen, vor allem waren sie sehr durchsichtig.

Konkordanz ist das neue Wort für Kartell

Bevor wir am 13. Dezember zu den Wahlen schritten, gab es Erklärungen der Fraktionschefinnen und -chefs. So ziemlich in allen Statements wurde die Konkordanz beschwört. Was darunter genau zu verstehen sei, wussten alle Parteien ganz auf ihre Mühle zu lenken. Interessant dünkt mich vor allem, in welchen Momenten die alte Formel 2:2:2:1 bemüht wird, die bis 2007 Bestand hatte (damals wurde Blocher abgewählt). Im Vorfeld der heurigen Wahlen wurde sie quasi wiederentdeckt, und nicht wenige  – auch viele Medien – taten so, als ob diese Formel ununterbrochen gegolten hätte und ewig sein müsse: Die drei stärksten Parteien hätten «Anrecht» auf zwei Sitze, die viertstärkste auf einen Sitz. Als die Formel 1959 erfunden wurde, entsprach sie den tatsächlichen Kräfteverhältnissen, und es konnten sich rund 90% der Wähler im Bundesrat repräsentiert fühlen. Heute stimmt beides überhaupt nicht mehr.

Weil die längst veraltete Formel aktuell sowohl der FDP als auch der SP nützt, klammern sich aus ihren Reihen viele daran. Sie behaupten, «Konkordanz» und die erwähnte Formel seien identisch, und die SVP stimmt ein. Für die FDP ist es eine Sache von zwei Promille (ihr Vorsprung auf die Mitte-Partei). Andere schauen nicht auf die Wähler*innen-Anteile, sondern zählen die Sitze von National- und Ständerat zusammen, und dann liegt die Mitte-Fraktion an dritter Stelle, die FDP an Vierter. Damit liebäugelt man bei der Mitte schon mal im Hinblick auf eine nächste Vakanz, aber selbstverständlich immer noch mit der Erzählung von 2:2:2:1. Alle Gedankenspiele, die auf vier Parteien fixiert sind, gehen von den bisherigen vier Bundesratsparteien aus. Gegenseitig achtet man darauf, die anderen nicht zu vergraulen. Das ist ein Kartell in Reinkultur.

Immerhin gibt es auch die Aussagen, Konkordanz würde bedeuten, dass «alle massgebenden Kräfte» im Bundesrat vertreten sein müssen. Meist wird dann eine Prozentschwelle genannt, ab wann eine Partei eine «massgebende» Kraft sei. Die Antwort lautet in der Regel bei 10 Prozent. Ich frage zurück: Wie müsste eine 7-köpfige Regierung zusammengesetzt sein, in der beispielsweise eine Partei 36 Prozent und fünf Parteien je 9,5 Prozent der Stimmen machen? Oder aber die fünf Parteien erreichen je 11 Prozent? Wenn man wirklich mathematisch an die Sache herangeht, dann ergeben die aktuellen Wahlresultate eine Regierung aus sechs Parteien: 2-1-1-1-1-1. Warum eigentlich nicht? PS: Konkordanz würde „vereinte Herzen“ heissen…

Doch noch eine Überraschung

Die Aufregung vor und während der Bundesratswahl war gross, aber das Ergebnis unspektakulär: Es gab ja keine Überraschungen, keine Nicht-Wiederwahl, keine Dramen. Wir freuten uns mit dem strahlenden Beat Jans und gingen zur Tagesordnung über. Die grösste Überraschung der ganzen Geschichte folgte am Tag danach. Elisabeth Baume-Schneider verblüffte uns alle mit ihrem Wechsel ins Innendepartement.

Viele nehmen ihr übel, dass sie nach nur einem Jahr das Departement wechselt. Ich hatte eine solche Möglichkeit zwar auch nicht auf dem Radar, muss aber einräumen: Die ehemalige Direktorin der Hochschule für Soziale Arbeit und Gesundheit in Lausanne HETSL ist jetzt am richtigen Ort.