Warum wir die Änderung des DNA-Profil-Gesetzes ablehnen

Viele erinnern sich: 2015 wurde in Emmen (LU) eine junge Frau brutal vergewaltigt. Beim Überfall wurde sie vom Velo gerissen und schwer verletzt. Die Ermittler haben am Tatort die vermutete DNA des Täters, sein genetisches Erbmaterial, gefunden. In der Folge wurden mehrere hundert Männer der Region vorgeladen und untersucht, aber der Täter konnte nicht eruiert werden.

Damit die Strafverfolgungsbehörden in vergleichbaren Fällen den Kreis enger ziehen können, soll das Gesetz angepasst werden: Neu soll die so genannte Phänotypisierung auf Anordnung der Staatsanwaltschaft möglich werden. Sie erlaubt, nicht nur das Geschlecht festzustellen (was heute schon zulässig ist), sondern Haarfarbe, Augenfarbe, Alter, Hautfarbe, ethnische Abstammung («bio-geografische Herkunft»). Allerdings gelingt diese Identifikation nicht zu 100 Prozent, sondern nur mit mehr oder weniger hohen Wahrscheinlichkeit.

Wir GRÜNEN haben beantragt, dass der Rat nicht auf diese Gesetzesrevision eintritt. Selbstverständlich wollen auch wir, dass Verbrechen aufgeklärt und Täter*innen gefasst werden. Auch wir finden berechtigt, dass neue Technologien zur Aufdeckung von Verbrechen zum Einsatz kommen dürfen. Wo liegt das Problem? Es ist ein dreifaches. Erstens hat der Bundesrat den Katalog der Verbrechen, welche mit Hilfe der Phänotypisierung aufgeklärt werden dürften, viel zu weit gesteckt – dazu weiter unten mehr. Zweitens ist die Gefahr der Stigmatisierung sehr hoch: Wenn die Analyse auf einen weisshäutigen Mann mit braunen Haaren hindeutet, passiert wohl nichts Besonders. Ganz anders sieht es aus, wenn die Analyse zum Beispiel auf einen ostasiatischen Mann mit schwarzer Augenfarbe hindeutet. Und drittens soll der «Suchverlauf nach Verwandtschaftsbezug» zugelassen werden. Das bedeutet, dass auch eine vermutete Verwandtschaft eines Täters, einer Täterin mit einer anderen Person, deren DNA bekannt ist, von den Behörden als Beweismittel genutzt werden dürfe.

Die Phänotypisierung ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff. Für die Grünen sind die Grundrechte nicht verhandelbar. Wir fordern, dass die Hürden dieses Eingriffs sehr hoch gesetzt werden – es muss ihm ein hohes gesellschaftliches Interesse gegenüberstehen. Dem trägt der Bundesrat nicht Rechnung. Es ist die gleiche Haltung aus dem EJPD von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, wie wir sie schon beim Anti-Terror-Gesetz erlebt haben, das am 13. Juni zur Abstimmung kommt. Dort wird der Begriff «Terrorismus» völlig ausufernd definiert.  

Die Bundesrätin bemüht zwar stets Beispiele von schweren Verbrechen wie Vergewaltigung oder Mord, aber der Gesetzesentwurf des Bundesrates lässt die Methode der Phänotypisierung bei allen Verbrechen zu, für die das maximale Strafmass 3 Jahre übersteigt. Das ist ein sehr langer Katalog und schliesst zum Beispiel Amtsmissbrauch, Bestechung, Kreditkartenmissbrauch, Betrug, Wucher oder Diebstahl mit ein. Wir GRÜNEN finden, dass das nicht geht. Wir Menschen hinterlassen jederzeit und überall unsere DNA-Spuren. Das Risiko, dass der Verdacht auf eine unschuldige Person fällt, ist virulent. Wir haben uns schon in der Vernehmlassung dafür eingesetzt, dass die Methode nur bei schweren Gewaltverbrechen gegen Leib und Leben sowie gegen die sexuelle Integrität zum Einsatz kommen darf, und das war ursprünglich ein breiter Konsens.

Nachdem unser Rückweisungsantrag im Nationalrat keine Mehrheit fand (bloss 17 weitere Stimmen ausserhalb unserer Fraktion), haben wir uns in der Detailberatung für höhere Hürden eingesetzt. Auch damit drangen wir nicht durch. Konsequenterweise lehnten wie GRÜNE die Revision in der Schlussabstimmung ab. Das Resultat war 125 zu 54 bei 12 Enthaltungen. Nun geht es an den Ständerat.