2x Ja zur Pestizid- und zur Trinkwasserinitiative

Viele Personen in meinem Bekanntenkreis waren irritiert, als die Vereinigung Bio Suisse die Nein-Parole zur Trinkwasserinitiative beschloss. Kein Wunder, denn unsere Region, das solothurnische Mittelland, ist von der Pestizidbelastung im Trinkwasser ganz besonders betroffen. Weniger bekannt ist, dass Bio Suisse und viele weitere Organisationen im Themenfeld Landwirtschaft und Ernährung die Pestizidinitiative mit Überzeugung unterstützen. Ich werde BEIDEN Initiativen zustimmen. Aber ich weiss um die Argumente, welche eine Mehrheit der Delegierten von Bio Suisse höher gewichtet haben, und nehme sie durchaus ernst.

Die Trinkwasserinitiative hat ihre Grenzen; sie hat gegenüber der Pestizidinitiative ein paar Nachteile. Umgekehrt berücksichtigt sie zwei wichtige Anliegen, welche über das Thema Pestizid hinausgehen. Und die meisten Bedenken, die gegen die Trinkwasserinitiative vorgebracht werden, fallen dahin, wenn auch die Pestizidinitiative eine Mehrheit findet. Doch der Reihe nach.

Das Trinkwasser wird nicht nur von zu viel Pestiziden bedroht. Hier punktet die Trinkwasserinitiative, denn sie will auch die Subventionen für den Einsatz von Antibiotika stoppen, und zudem setzt sie bei der Problematik des übermässigen Düngers und Stickstoffs an. Wir haben zu viele Nutztiere, die eine wachsende Menge Importfutter bedingen und zu viel Gülle produzieren. Wir müssen in der Schweiz den Tierbestand reduzieren, damit die inländische Futterbasis möglichst weit reicht: Mit der Subventionspolitik können wir darauf Einfluss nehmen. Selbstverständlich muss auch die Konsumnachfrage nach Fleisch weiter sinken, zum Beispiel mit kleineren Portionen und weniger Foodwaste. Auch darauf können wir Einfluss nehmen. Heute wird mit öffentlichen Mitteln zur Absatzförderung oft das pure Gegenteil gefördert.

Die Pestizidinitiative hat ebenfalls mehrere Pluspunkte: Sie ist präziser in der Wortwahl und spricht nur von synthetischen Pestiziden. Sie fokussiert nicht nur auf die Landwirtschaft, sondern setzt bei den Produkten an, denn diese werden ja auch im Gartenbau, in öffentlichen Parks, an Fassaden oder an Strassen- und Eisenbahnborden eingesetzt. Vor allem berücksichtigt sie auch den Import: Für Importprodukte werden dieselben Regeln gelten. Nach einer Übergangsfrist von 10 Jahren werden keine synthetischen Pestizide mehr in Verkehr gebracht werden dürfen.

Die Trinkwasserinitiative will bekanntlich nicht verbieten, sondern lenkend eingreifen, indem sie bloss keine Subventionen mehr gewähren will, wenn Pestizide zum Einsatz kommen. Das finden wir ja sympathisch und liberal. Es gibt allerdings einen bedenkenswerten Einwand: Die grossindustrielle Produktion, die am meisten zur Überdüngung und zur Verdichtung von Böden führt, ist heute kaum auf Subventionen angewiesen. Wenn diese wegfallen, schwächt das den Profit dieser Agroindustrie kaum. Es wäre jedoch ein Freipass für ungehemmten weiteren Gifteinsatz, beschönigend als «Pflanzenschutz» bezeichnet. Der Effekt könnte tatsächlich sein, dass vor allem im Obst-, Gemüse- und Futtermittelanbau mindestens so viel gespritzt würde wie heute – zum Nachteil unseres Trinkwassers und der Biodiversität.

Damit wir uns diesen ungewollten Effekt nicht einhandeln, damit wir aber auch die oben erwähnten Vorteile nicht preisgegeben, braucht es zusätzlich zur Trinkwasserinitiative auch die Pestizidinitiative. Auf den Punkt gebracht: Erst mit der Pestizidinitiative wird das Trinkwasser so, wie wir es alle wollen. Es ist ein Befreiungsschlag, von dem alle profitieren: bäuerliche Familienstrukturen, Gartenbau, Nutztiere, Böden, Grundwasser, Biodiversität – und nicht zuletzt die menschliche Gesundheit. Darum 2x JA.