Die erste Sessionswoche war ein emotionales Auf und Ab. Es gab ein paar positive Beschlüsse oder Zwischenerfolge, die wir nicht unbedingt erwarten konnten. Und es gab gleich schon am Starttag und auch danach ein paar Dämpfer.

Ich beginne mit den «Auf’s»: Der Nationalrat will die Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung (21.403) von der bisherigen Anschubfinanzierung in eine definitive Form überführen. Und er ist im Stimmenverhältnis von 104 zu 84 (plus 5 Enthaltungen) auch bereit, dafür 700 Mio. Franken bereitzustellen – entgegen dem Willen des Bundesrats. Damit haben wir klargemacht, dass eine ausreichende und bezahlbare Tagesbetreuung auch im nationalen Interesse liegt, obwohl für die Realisierung die Gemeinden zuständig sind. Dies aus zwei Gründen: In Zeiten des Arbeitskräftemangels sollen jene Eltern, die ihr Pensum etwas erhöhen wollen, dies auch tun können. Und Kinder treffen in den Kitas neue Lern- und Entwicklungschancen an.

Positiv ist auch der Ausgang der Differenzbereinigung zwischen Stände- und Nationalrat zum Strassenverkehrsgesetz (21.080). Dieses trägt übrigens meinen Jahrgang (1958), wurde aber mehrfach revidiert. Die jetzige Revision ist nötig, damit wir rechtliche Klarheit für die Mobilität mit autonomen Fahrzeugen haben. Doch dann wurde versucht, gleich noch den Rasern entgegenzukommen und das Strafmass für deren Verbrechen massiv zu reduzieren. Dazu gab es tragischerweise im Nationalrat letztes Jahr eine Mehrheit. Der Ständerat hat nun den Dreh gefunden, mit einem Strafmass gleich hoch wie bisher und Ausnahmemöglichkeiten in begründeten Härtefällen (etwa eine «private Blaulichtfahrt»). Somit braucht es kein Referendum. Rasen darf aber auch künftig nicht bagatellisiert werden!

Wallis gegen Bundesrat 3:0. Am 1. März haben wir 20 Motionen oder Postulate behandelt, die das Departement des Innern betreffen. Fünfmal war der Bundesrat einverstanden, fünfzehnmal nicht. Nachdem fünf Urheber*innen ihre Vorstösse zurückgezogen hatten, ging es wie meistens weiter: Wenn der Bundesrat nicht will, sagt auch die Ratsmehrheit Nein. Diesmal allerdings mit drei Ausnahmen, allesamt von Wallisern! Mein Fraktionskollege Christophe Clivaz hat seine Motion (21.3264) «Für eine dauerhafte Finanzierung von Organisationen von gesamtschweizerischer Bedeutung in den Bereichen psychische Gesundheit und Suizid- und Gewaltprävention» durchgebracht (98 zu 87). Davon könnte z.B. Telefon 143, die dargebotene Hand, profitieren. Erfolgreich waren auch Benjamin Roduit (Mitte) zur Früherkennung von armutsgefährdeten Personen (21.3142) und Philippe Nantermod (FDP) mit Health Technology Assessment (21.3154). Nun folgt allerdings noch die hohe Hürde Ständerat…

Nun zum Tiefschlag der Woche: Die Rentnerinnen und Rentner werden nicht den vollen Teuerungsausgleich auf die AHV-Rente bekommen. Sie müssen sich mit der Teilanpassung begnügen, die zu Jahresbeginn gewährt wurde, aber der aktuellen Teuerung hinterherhinkt. Noch im letzten Herbst hatten beide Räte die Vorstösse aus der Mitte unterstützt, es diesen Teuerungsausgleich jetzt braucht. FDP und SVP wollten schon damals nicht, wurden aber überstimmt. Nun hat der Bundesrat die Gesetzesanpassung zur Umsetzung ausgearbeitet (23.016).  Zuerst legte sich der Nationalrat quer (92 zu 97): Nun war auch die GLP dagegen! Tags darauf versenkte auch der Ständerat die Vorlage (mit 20 zu 21): Zwei Grün-Linke waren entschuldigt, und entgegen ihrer Partei unterstützten drei Mitte-Ständeräte die Vorlage nicht…

Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats beantragte mit der Motion (22.4279),  dass Schlupflöcher zur Umgehung von Sanktionen umgehend geschlossen werden. Vordergründig sind ja alle dafür, dass die Schweiz im aktuellen Putin-Krieg bei den Sanktionen konsequent ist: Die Vermögen von Oligarchen und ihren Angehörigen sollen wirkungsvoll eingefroren werden, was bisher nur lückenhaft passiert. Gleichwohl wurde die Motion mit 86 zu 103 Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt. Die Mitte war mehrheitlich dagegen.

Standesinitiativen haben einen schweren Stand. Vor allem die Parlamente der Westschweizer Kantone und des Tessins haben bisher den Mut nicht verloren und setzen öfter mal auf dieses Instrument. Am Starttag zur Session hatten wir gleich neun dieser kantonalen Initiativen auf dem Tisch. Das Tableau war bis auf eine Ausnahme (20.332: Nationalrat knapp dafür, Ständerat dagegen) jeweils ähnlich: GRÜNE und SP unterstützen im Nationalrat, alle anderen lehnen ab. Die Kantone Genf und Freiburg wollten mit ihren Standesinitiativen den Zuckergehalt in Getränken und verarbeiteten Lebensmitteln reduzieren (20.311)  bzw. besser deklarieren (21.315). Tessin wollte im Bereich der ambulanten Pflege den Kantonen die Möglichkeit geben, Planungsinstrumente einzuführen (20.336). Vergeblich hatten die Kantone der lateinischen Schweiz bei uns für diese Vorlage lobbyiert. Und nochmals der Kanton Genf lief auf mit dem Anliegen, Aluminiumsalze in Kosmetikprodukten zu verbieten (21.321). Fazit: Ich stelle ernüchtert fest, dass Anstösse zur Verringerung von schädlichen Umwelteinflüssen auf die Gesundheit meistens abgeblockt werden.

Schliesslich noch ein Wort zur Reform der beruflichen Vorsorge (20.089). Noch ist die Endfassung nicht in allen Teilen bekannt. In einem wichtigen Punkt hatte der Ständerat vorgespurt, und wir sind ihm im Nationalrat zum Glück gefolgt: Als Koordinationsabzug soll künftig nicht mehr ein fixer Betrag (heute rund 25’000 Franken) gelten, sondern – bis zu einer Obergrenze – ein Betrag relativ zur Lohnsumme: Das verbessert die Situation von Teilzeitbeschäftigten und Menschen mit mehreren Kleinpensen. Ob das reicht, um die Nachteile aufzuwiegen, kann ich noch nicht beurteilen: Wir hatten uns ja im letzten Jahr vom Sozialpartnerkompromiss, den auch der Bundesrat mitgetragen hatte, deutlich  entfernt.