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Das OECD/G20-Projekt zur Besteuerung grosser Unternehmensgruppen, kurz „OECD-Steuerreform“, stellt sicher, dass Grosskonzerne künftig nirgendwo auf der Welt ein Steuerschlupfloch finden. Das ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiges Projekt auf dem Weg zu einer global gerechteren Steuersituation. Es ist ein Akt der internationalen Solidarität, dass die Schweiz mitzieht. Was aber heisst das nun im eigenen Land? Mein Fazit: Es kommt nicht gut, wenn die reichsten Kantone allein das grosse Los ziehen und die ärmeren Kantone das Nachsehen haben.

Da die Bundeverfassung angepasst werden muss, gibt es im kommenden Juni eine Volksabstimmung. National- und Ständerat haben diese Woche entschieden: Die zu erwartenden Zusatzeinnahmen sollen nicht im Verhältnis 50:50 zwischen Bund und Kanton aufgeteilt werden, wie das die Mehrheit des Nationalrats zuerst wollte. Vielmehr sollen 75 Prozent an den Standortkanton und 25 Prozent an den Bund gehen. Davon profitieren in erster Linie jene zwei Kantone, die viele internationale Grossfirmen beherbergen und bisher einen sehr tiefen Gewinnsteuersatz haben: Basel-Stadt und Zug.

Wir GRÜNEN waren ursprünglich dafür, dass die Ergänzungssteuer ganz dem Bund zusteht. Schliesslich handelt es sich um einen Zielwert, der überall gleich hoch sein muss. Zudem trägt der Bund in letzter Zeit viele Kosten (z.B. zur Pandemiebekämpfung, zur Energie-Versorgungssicherheit), die wesentlich den Kantonen und Regionen zu Gute kommen. Wir trugen dann jedoch das Modell 50/50 mit, weil alles andere unerreichbar ist.

Festzuhalten ist: Je grösser der Kantonsanteil an der Ergänzungssteuer, desto weiter driften die reichen und die weniger wohlhabenden Kantone auseinander. Ich möchte das verhindern, insbesondere auch aus Sorge um „meinen“ Kanton Solothurn, der kaum Erträge aus dieser Ergänzungssteuer haben wird. Astrid Bärtschi (Die Mitte), Finanzdirektorin im Kanton Bern, hat es im Tages-Anzeiger vom 2.12.2022 gut auf den Punkt gebracht. Sie befürchtet, dass Zug und Basel-Stadt bei einer 75:25-Lösung davonziehen. «Die müssten sich nicht mehr fragen, ob sie lieber die Einkommenssteuern für Privatpersonen senken oder Krippenplätze subventionieren wollen – sie machen einfach beides.» Andere Kantone könnten da niemals mithalten.

Was man auch betonen muss: Der Bund wird seinen Anteil aus der Ergänzungssteuer nicht einfach der allgemeinen Bundeskasse zuweisen dürfen. In den Übergangsregelungen der Bundesverfassung (Art. 197 Ziff. 15) steht in Abs. 8 folgendes: «Der Bund verwendet seinen Anteil am Rohertrag der Ergänzungssteuer (…) zur zusätzlichen Förderung der Standortattraktivität der Schweiz.» Dieser vom Bundesrat vorgeschlagene und von beiden Räten genehmigte Passus dünkt mich sehr bemerkenswert. Es ist ja absolut unüblich, dass Gewinnsteuern eine Zweckbindung erhalten – dagegen wehren sich Finanzdirektorinnen und -direktoren eigentlich immer. Hier dünkt mich die Zweckbindung absolut berechtigt.

Wenn das Stimmvolk die Verfassungsrevision annimmt, werden wir dazu in den Räten die Gesetzesbestimmungen auszuarbeiten haben. Für mich ist klar, dass dann zur Förderung der Standortattraktivität auch Dinge wie familienergänzende Betreuungsplätze, Beteiligung an Infrastrukturen usw. gehören. Vieles davon macht kantonsübergreifend Sinn, für den Kanton Solothurn mit seinen starken Überlappungen zu den Nachbarregionen sowieso. Ich bin sicher: Mit einem grösseren Bundesanteil haben die ärmeren Kantone mehr davon.

Bekommen die ärmeren Kantone dann weniger Geld aus dem NFA?

Kontrovers bewertet wird die Frage, welche Auswirkungen diese Reform auf den Finanzausgleich zwischen den Kantonen, den NFA, haben wird. Es wird behauptet, die reichen Kantone BS und ZG würden weniger als heute in den Finanzausgleich einzahlen können, wenn sie „nur“ 50% der Ergänzungssteuer bekämen. Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass Grossunternehmen aus den heutigen Tiefsteuerkantonen wegziehen würden. Dafür kann ich allerdings keine Indizien erkennen, denn wenn es so wäre, hätten Genf und Zürich (die beide heute über 15% Gewinnsteuer kennen) kaum so viele Grossunternehmen auf ihrem Territorium. Klar gibt es ab und zu Verlegungen von Firmensitzen, aber die gibt es auch ohne Steuerreform.

Wichtig dünkt mich in diesem Kontext auch die Feststellung, dass 15% Gewinnsteuer im internationalen Vergleich nach wie vor sehr tief ist. In den Grossräumen nahe der Schweiz – Mailand, Stuttgart, München, Paris – betragen die Gewinnsteuern jeweils ca. 25 Prozent. Davon hört man bei uns leider zu wenig.

Obwohl ich froh bin, dass die Schweiz nun diese Frage entscheiden muss und die Chance hat, ihren Beitrag zu einer global gerechteren Besteuerung internationaler Grossunternehmen beizutragen, mache ich mir Sorgen: Ich zweifle, ob die 75:25-Vorlage bei Volk und Ständen eine Mehrheit findet. Vor allem das Ständemehr sehe ich als gefährdet, wenn von der Reform nur wenige Kantone (v.a. Zug und Basel-Stadt) im grossen Stil profitieren.