Die Landwirtschaftspolitik treibt uns um. Am 16. März hat der Nationalrat mit 100:95 Stimmen beschlossen, das Reformvorhaben «Agrarpolitik 22+» zu sistieren. Zuvor hatte bereits der Ständerat diesen Stopp verlangt. Es ist ein fataler Entscheid, denn die Reform der Agrarpolitik ist dringend nötig. Wir subventionieren die Landwirtschaft mit Milliarden von Franken, und diese Subventionen bewirken leider nicht nur Gutes. Nebst wünschenswerten (wenn auch oft noch zaghaften) Förderungen der ökologischen Produktion fliessen bedeutende Teile der Direktzahlungen unter dem Titel «Versorgungssicherheit» weiterhin an industrielle Grossbetriebe und an Agrokonzerne. Deren Interessenvertreter schaffen es regelmässig, den einflussreichen Bauernverband für ihre Sache einzuspannen. Argumentiert wird dann mit den armen Bauernfamilien. Es ist jedoch eine traurige Tatsache: Mit einem Teil der Bundessubventionen schaden wir massiv dem Klima und der Artenvielfalt.

Mit seiner Agrarpolitik 22+ hätte der Bundesrat beabsichtigt, die nachhaltige Landwirtschaft zu stärken: Mehr Ökologie, Klimaschutz und Vernetzungsstrukturen, bessere Unterstützung von kleinräumigen Familienbetrieben (insbesondere in strukturschwachen Gegenden), bessere soziale Absicherung z.B. der mitarbeitenden Bäuerinnen. Dazu kommt es nun bis auf Weiteres nicht. Es gelten die alten Regeln, und für weitere vier Jahre wurden 14 Milliarden Franken freigegeben. Wir GRÜNEN haben uns vehement dafür gewehrt, dass der Rat auf die AP 22+ einsteigt. Wir wollten das Geld vorderhand nur für zwei Jahre freigeben, damit die Reformen in der Zwischenzeit angepackt werden. Leider war es aussichtslos. Als Gegenargument kam immer wieder das Stichwort «Selbstversorgungsgrad»: Bürgerliche behaupten, dieser würde sinken und die Importe zunehmen, wenn wir Ökologie gezielter fördern würden.

Dieser seltsamen Logik habe ich versucht, etwas entgegenzusetzen: Im Nationalratsplenum habe ich die Haltung der GRÜNEN zum neuen Finanzrahmen vertreten; hier mein Votum .

Wir müssen es also auf andere Weise probieren, die Landwirtschaft ökologischer zu gestalten. Der 13. Juni 2021 gibt uns Gelegenheit an der Urne. Und wir GRÜNEN im Bundeshaus sind mit Vorstössen aktiv.

Wenn schon der Selbstversorgungsgrad ein derart mächtiges Argument ist: Wie schweizerisch ist eigentlich das, was als «Schweizer Fleisch» oder «Schweizer Eier» verkauft wird? Tatsache ist, dass wir in der Schweiz viel mehr Nutztiere halten, als unseren Böden ernähren können. Die Folge ist, dass in grossen Mengen Kraftfutter zugeführt werden muss, zum Beispiel Soja aus Brasilien. Vor allem Hühner und Schweine, die kein Gras fressen, erhalten überwiegend importiertes Futter. Ziegen, Schafe und Rinder essen Gras und Heu, das in unserem Land wächst, soweit so gut. Aber es sind zu viele Rinder, und ausserhalb der biologischen Produktion wird leider auch einiges an Importfutter eingesetzt. Zudem braucht es für den intensiven Anbau viele Düngemittel und Pestizide. Und es fällt mehr Gülle an, als unsere Böden wieder aufnehmen können. Darum sind Böden und Gewässer überlastet: Zu viele Nitrate, zu viele Pestizide. Wir müssen als Konsumentinnen und Konsumenten den Fleischverzehr reduzieren, damit unsere einheimische Futterbasis ausreicht. Das ist die Perspektive einer Motion, welche ich in dieser Session eingereicht habe: «Deklaration „Schweizer Fleisch“ und „Schweizer Eier“ nur bei überwiegend inländischer Futterbasis» (Motion 21.3037). Ich bin gespannt, wie der Bundesrat sie aufnehmen wird!