Leserbrief: Mehr schulische Integration, nicht weniger
Leserbrief zuh. Redaktion SZ/OT/GT zum Artikel «FDP setzt auf Lesen, Schreiben und Rechnen», Ausgabe vom 24. Juni 2024
Früher war die FDP eine Partei der Bildung. Sie setzte sich an vorderster Front für eine moderne Volksschule in öffentlicher Verantwortung ein. Das neue Positionspapier bricht mit dieser Tradition. Zuerst wird die Schule schlecht geredet, dann wird die Abschaffung von wichtigen Errungenschaften der letzten Jahre gefordert. Der Positionsbezug zeugt von tiefem Misstrauen gegenüber Lehrpersonen, Schulleitungen, Schulbehörden und Ausbildungsstätten. Als scheinbar wichtigste «Reformen» gelten die Aufhebung der schulischen Integration und der Fremdsprachen in der Primarschule. Beides halte ich für sehr bedenklich. Zum einen scheint es in dieser Partei nicht angekommen zu sein, dass die Schweiz die Behindertenrechtskonvention unterschrieben hat. Schulische Integration für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen und Förderbedarf ist einer der zentralen Bausteine. Alle Kinder haben ein Anrecht darauf. Man kann kritisieren, dass die Rahmenbedingungen noch nicht überall stimmen, dass die personellen Ressourcen nicht genügen. Eine Rückkehr zu separierten Schulen ist jedoch mit Sicherheit das falsche Rezept. Auch bei den Fremdsprachen wird aus einer teilweise berechtigten Diagnose der falsche Schluss gezogen. Ich stimme überein, dass 2 Lektionen pro Woche, erteilt von Lehrpersonen ohne entsprechende Fachausbildung, kaum viel Nutzen versprechen. Dann müssten wir aber auch hier Verbesserungen herbeiführen, zum Beispiel Semesterkurse mit einer höheren Lektionenzahl sowie eine bessere Arbeitsteilung unter den Lehrpersonen derselben Klasse. Worauf kommt es an? «Lesen, Schreiben, Rechnen» ist zwar eine populäre Formel, aber zu den Grundkompetenzen gehören genauso Hören und Sprechen.
Felix Wettstein, Nationalrat GRÜNE, Olten