Jahresberichte – eine erbauliche Spielart des Lobbyings
Der Frühling und Frühsommer ist die Zeit der Jahresberichte. Sie sind für viele Organisationen, Verbände oder Stiftungen die Gelegenheit, sich ins gute Licht zu rücken. Auch wenn die Korrespondenz ansonsten mehr und mehr elektronisch abgewickelt wird: Ein Jahresbericht wird gestaltet, gedruckt und verschickt. 40 solcher Jahresberichte habe ich in den letzten drei Monaten zugeschickt bekommen, und die Erfahrung aus dem letzten Jahr zeigen, dass bis im Juli noch einige dazu kommen werden. Der grössere Anteil kommt von gesamtschweizerischen Organisationen, aber auch rund zehn Berichte trafen von kantonalen Vereinigungen ein.
Sie sind meist grafisch aufwändig und «schön» gestaltet, A4 im Hoch- oder Querformat, einzelne im Zeitungsformat, selten nur A5. Aufeinander gestapelt ergeben sie über 1000 Seiten. Wenn ich alle vollständig durchlesen wollte, wäre ich etliche Abende beschäftigt. Nach Branchen ergibt sich ein bunter Mix: Gut vertreten sind diverse Wirtschafts- und Branchenverbände (meist die Arbeitgeberseite), aber auch etliche Nonprofitorganisationen mit sozialen, gesundheitlichen oder ökologischen Zielsetzungen. Auch mehrere bundesnahe Anstalten wie die ETH-Gruppe, die SBB sowie das Bundesgericht rufen sich bei uns per Jahresbericht in Erinnerung. Im Unterschied zum regelmässigen Lobbying jeweils vor und während der Sessionen ist der Gesundheitssektor nicht besonders stark vertreten.
Der Informationsgehalt dünkt mich sehr unterschiedlich. Dabei wird sichtbar, dass Jahresberichte unterschiedliche Funktionen erfüllen: Berichterstattung «nach innen» genauso wie Marketing nach aussen. Wenn alle Mitwirkenden in den diversen Gremien seitenweise in Bildern und Bildlegenden vorgestellt werden, dann geht das Durchblättern schnell. Das gilt auch dort, wo Jahresrechnung, Bilanz und Revisionsbericht in aller Ausführlichkeit die Seiten füllen. Durchaus informativ können jedoch Seiten mit «Facts and Figures» sein. Am besten gefallen mir jene Jahresberichte, die beispielsweise jedem ihrer Geschäftsfelder oder Programmschwerpunkte eine (illustrierte) Doppelseite widmen: Da habe ich wirklich das Gefühl, informiert zu werden. Speziell stechen für mich zwei Beispiele heraus, bei denen die Ausrichtung auf bestimmte Ziele der Nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals) mit Piktogramm und Text nachgewiesen wird: SBB und Biosphäre Entlebuch.