Pleiten und Pannen – die Medien sind in einem fatalen Fahrwasser
Kurz nach 15 Uhr am Wahlsonntag sendeten alle Kanäle der SRG die Botschaft aus: «Im Kanton Solothurn ist Felix Wettstein (Grüne) abgewählt». Es kam anders. Man hat sich bei mir entschuldigt, und das akzeptiere ich. Gleichwohl bin ich entschieden der Ansicht: Eine solche Fehlleistung darf einfach nicht passieren. Sowohl die Meinungsforschungsinstitute als auch die SRG-Redaktionen müssen ernsthaft über die Bücher. Was sie in dieser Hektik an selbsterfüllenden Prophezeiungen heraufbeschwören und einander nachgackern geht nun gar nicht.
Um 15:55 Uhr war dann im Kanton Solothurn fertig ausgezählt: Die Resultate aus der Stadt Solothurn, einzig verbleibende Unbekannte, waren nach 40 Minuten zwischen Bangen und Hoffen endlich eingetroffen. In der Zwischenzeit waren bei mir bereits Mails und SMS eingetroffen, welche meine Abwahl bedauerten. Es kam dann doch anders – darum konnte ich so heftig strahlen und jubeln. Es war, zugegeben, auch etwas Schadenfreude dabei. Aber die ehrliche Freude und vor allem Dankbarkeit überwog.
Ich finde auch mit etwas zeitlichem Abstand: Eine solche Fehlleistung darf den Medien einfach nicht passieren, dem SRF schon gar nicht. Nach ein paar Tagen hat sich Lukas Golder vom Meinungsforschungsinstitut gfs.bern bei mir persönlich entschuldigt: Er hatte diese Meldung den Redaktionen übermittelt. Ich habe seine Entschuldigung angenommen.
So sehr mich die überraschende Wende des Wahlausgangs zum Lachen gebracht hat: Mit einem Lächeln kann ich nicht wegstecken, was passiert ist. Ich bin dezidiert der Ansicht, dass sowohl gfs.bern als auch die SRF-Redaktion nach diesen Wahlen ernsthaft über die Bücher müssen. Wenn sich, wie dieses Jahr, aus den ersten Vorwahl-Umfragen ergibt, dass es wahrscheinlich keine grossen Veränderungen geben wird, sondern dass die meisten Verschiebungen im Bereich der statistischen Zufallsstreuungen liegen, dann wird daraus bekanntlich keine Medienbotschaft, die viele Klicks auslöst. Also muss man die vorausgesagten sanften Veränderungen „aufplustern“ – mit jeder weiteren Befragung noch etwas mehr. Aus einem vermuteten Zuwachs wird dann ein „Rutsch“, aus einem vermuteten Rückgang ein „Absturz“.
Wir alle wissen, dass Wählerinnen und Wähler viel lieber zu den angekündigten Gewinnerinnen als zu den angekündigten Verlierern gehören und sich entsprechend verhalten.
Am Wahlsonntag selbst ist die Medienwelt dann derart davon getrieben, möglichst schnell (er-)Zählbares zu liefern, dass die Journalisten und Redaktorinnen gegenseitig ihre Prognosen zu selbsterfüllenden Prophezeiungen hochschaukeln. Wer vorweg als Wackelkandidat oder -kandidatin gehandelt wurde, erhält dann den finalen Stoss gerne etwas präventiv. Es fehlt jene Geduld, die uns Kandidierenden abverlangt wird, nämlich auszuharren, bis alles ausgezählt ist.
Mein Fazit: Am 22. Oktober haben die Medien und die von ihnen beauftragten Forschungsinstitute den Sieg davongetragen. Zwar nicht durchwegs im Kanton Solothurn, schweizweit aber schon.