Tabakwerbung ist immer noch auf vielen Kanälen möglich – nur die Initiative schafft Abhilfe
Mit der Schlussabstimmung am letzten Sessionstag haben beide Räte dem Bundesgesetz über Tabakprodukte (15.075) zugestimmt. Erstmals hat die Schweiz damit ein separates Gesetz zu den Tabakwaren; sie sind nicht mehr bloss im Lebensmittelgesetz (!) geregelt. Leider sind die Tore für Tabakwerbung immer noch weit aufgesperrt. Wir GRÜNEN haben darum abgelehnt.
Grundsätzlich will das Gesetz Massnahmen zur Verringerung des Konsums von Tabakprodukten ergreifen – unabhängig davon, ob diese geraucht, erhitzt, geschnupft oder oral eingenommen werden. Nach zähen Verhandlungen zwischen den beiden Räten sind die Möglichkeiten, für Tabakprodukte zu werben, immer noch viel zu offen. Die Lobby hat sich meistens durchgesetzt. Wenn wir insbesondere Kinder und Jugendliche vor dem Einfluss der Tabakwerbung schützen wollen, dann müssen wir der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» (www.kinderohnetabak.ch) zustimmen.
Entgegen den Anträgen von uns GRÜNEN hat es die Ratsmehrheit abgelehnt, dass Tabakprodukte keine Zutaten enthalten dürfen, welche das Abhängigkeitspotenzial erhöhen oder die Inhalation erleichtern. In der ersten Sessionswoche, bei der zweiten Lesung in der grossen Kammer, war diese Verbesserung noch mehrheitsfähig. Aber weil sie der Ständerat nicht wollte, ist das Verhältnis wieder gekippt. Wir wollten namentlich, dass Menthol auf die Liste der verbotenen Zutaten kommt, denn es hat genau die erwähnten Wirkungen. Aber es gelang nicht, und Mentholzigaretten sind auch in Zukunft erlaubt.
Schon im Verlauf der vorherigen Bereinigungen zwischen Stände- und Nationalrat wurde klar, dass die Werbung, die Verkaufsförderung und das Sponsoring für Tabakprodukte nicht genügend eingeschränkt werden. Insbesondere soll Tabakwerbung auf elektronischen Medien weiterhin erlaubt sein – ausgerechnet in jenen Medien also, die unter jungen Menschen am meisten Aufmerksamkeit geniessen. Das Werbeverbot würde nur für Presseerzeugnisse und Internetseiten gelten, «die für Minderjährige bestimmt sind». Es glaubt wohl niemand ernsthaft daran, dass sich Minderjährige nur auf solchen Seiten umsehen.
Erfolglos waren auch unsere Versuche, Tabakwerbung an Konzerten, Festivals oder Partys zu verbieten. Gemäss Gesetz soll nun bloss dann keine Tabakwerbung erlaubt sein, wenn Veranstaltungen in der Schweiz «internationalen Charakter haben» oder «auf ein minderjähriges Publikum abzielen». Hier war das Lobbying der Tabakkonzerne besonders zu erkennen, denn sie ködern ja mit ihrer Werbung, Verkaufsförderung und ihrem Sponsoring gezielt junge Menschen. Konzerte und Festivals sind generationenübergreifend: Die Jungen wollen gerne zu den Älteren gehören. Darum werben Tabakkonzerne lieber hier als in der Oper. Wir wissen es jedoch aus der Forschung nur zu gut: Junge Menschen sind besonders empfänglich für die Traumwelten, die Coolness, Erfolg und Sexappeal suggerieren.
Sechs Jahre hat es gedauert, zwei Anläufe hat es gebraucht, bis das Tabakproduktegesetz beisammen war. Und obwohl nun auch die elektronischen Zigaretten berücksichtigt werden (was in der ersten Version noch nicht der Fall war), ist das Resultat ernüchternd und nicht viel mehr als eine Alibi-Übung. Eigentlich wurde das Gesetz vom Bundesrat angestrengt, damit die Schweiz als eines der letzten Länder das Rahmenabkommen der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs ratifizieren könnte. Aber nach all den Verwässerungen wird dies nicht mehr möglich sein.
Es ist darum nur logisch, dass die Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» aufrechterhalten werden muss. Diese Initiative wird von zahlreichen Gesundheits- und Jugendorganisationen mitgetragen, darunter von Public Health Schweiz (ich gehöre dem Fachrat an) und von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (während meiner Pro Juventute-Zeit war ich Delegierter), aber auch von der in Olten domizilierten Stiftung IdéeSport.