Keine Bange, es geht nicht um Kampfflugzeuge. Obwohl nach wie vor wichtig ist, dass wir alle die Volksinitiative zur Verhinderung des teuren, lauten und unpassenden Bomber-Kampfflugzeuges F-35 unterschreiben und unser Umfeld ebenfalls zur Unterschrift ermutigen (Unterschriftenbogen hier).  Nein, hier geht es um die zahlreichen Lobbyaktivitäten aus der Luft: Zum Beispiel von zwei verschiedenen Helikopterverbänden. Oder von den Flughäfen beziehungsweise deren Förderer und Kritikerinnen.

«Schaffung einer nationalen Berufspilotenlizenz» heisst die Motion 21.3095 von Ständerat Erich Ettlin (Mitte, OW), der wir in der ersten Woche der Wintersession stillschweigend, aber gegen den Willen des Bundesrates, zugestimmt haben. Es war nach Juni 2021 zum zweiten Mal die gleiche Motion. Wie kann das sein? Ganz einfach: Zwei gleichlautende Vorstösse wurden in den beiden Räten eingereicht; die Kommissionsmotion 21.3020 war schon in der Sommersession im Nationalrat. Sie erhielt eine Mehrheit von 107 zu 73 bei 9 Enthaltungen. Wir GRÜNEN waren dagegen.

Mit diesem Doppelbeschluss steht nun fest, dass unser Land einen schweizerischen Sonderweg einschlägt. Europaweit ist nämlich festgelegt, dass für Berufspilotinnen und Berufspiloten eine Altersgrenze von 60 Jahren gilt, wenn sie Personen befördern und alleine im Cockpit sind. Mit dem bilateralen Luftverkehrsabkommen ist die Schweiz daran gebunden. Nun muss der Bundesrat eine innerstaatliche Lösung ausarbeiten, damit die Pilotinnen und Piloten bis zu ihrem regulären Pensionsalter auch Personen fliegen dürfen, nicht nur Fracht. Die Schweiz wird also gegen das Abkommen verstossen. Es wird sich zeigen, wie die EU darauf reagiert…

Das Beispiel ist für mich symptomatisch, wie unsere Politik in Bewegung kommt. Vor unserer ersten Behandlung im Juni erreichten mich im Abstand von wenigen Tagen zwei Zuschriften, zuerst jene der Swiss Helicopter Association SHA (Bern), dann jene des Schweizerischen Helikopterverbandes SHeV (Luzern). Das hätte ich nicht erwartet: Die Schweiz hat zwei Helikopterverbände! Die SHA macht gleich im Logo klar, dass sie Mitglied von AEROSUISSE, dem Dachverband der schweizerischen Luft- und Raumfahrt, ist. Der SHeV hingegen hat seine Adresse beim Aero-Club der Schweiz. 

In der Sache waren sich die beiden einig. Sie empfahlen inständig, die Motion 21.3020 anzunehmen. Der SHeV führte sogar ökologische Argumente ins Feld: Wenn bereits mit 60 Jahren Schluss sein muss, dann braucht es 13% mehr Helipilotinnen und -piloten, die ja zuerst ausgebildet werden müssen. «Das bedeutet nicht nur entsprechend mehr Flugbewegungen und Fluglärm, sondern auch entsprechend mehr Verbrauch fossiler Brennstoffe und steigenden  CO2-Ausstoss». Wir GRÜNE ahnen wohl zu wenig, bei wem wir das Argumentieren lernen könnten…

Und bevor ich jetzt Prügel einstecken muss: Ich bin Rega-Gönner. Ich weiss um die sehr wichtige und unverzichtbare Arbeit der Rettung und Bergung aus der Luft, des Lawinenschutzes oder der Waldbrandbekämpfung. Aber Toleranz gegenüber der wachsenden Zahl an Freizeitflügen in gewissen touristischen Hotspots bringe ich nicht auf.

Der erwähnte Dachverband AEROSUISSE beehrt uns jeweils mit dem Jahresbericht. Daraus geht hervor, dass er rund 140 Firmen und Organisationen zu seinen Mitgliedern zählt. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass es im Bereich Luft- und Raumfahrt in der Schweiz so viele Organisationen gibt! Linien- und Charterfluggesellschaften, Landesflughäfen, Regionalflugplätze, Flugsicherung, Flugschulen, Abfertigungsgesellschaften, Unterhaltsbetriebe, Hersteller von Flugzeugen und Komponenten, die Luftwaffe, die Raumfahrtindustrie und natürlich alle massgebenden Einzelverbände. Präsident des Dachverbandes ist übrigens Nationalrat Thomas Hurter (SVP, SH), selber Pilot.

Wer hat am Boden die Lufthoheit?

Viermal im Jahr, vor jeder Session, meldet sich der Flughafen Zürich mit dem 12-seitigen «Politikbrief». Eine Auswahl aus den Themen und Titeln der jüngsten Ausgabe: Die Erholung der Luftbranche – jetzt den Aufschwung nicht gefährden. Nachfrage nach Mobilität muss bedient werden können. Gute Gründe, der Pistenverlängerung zuzustimmen. Künftige Klimapolitik: marktbasierte Dekarbonisierung der Luftfahrt und Verzicht auf unnötige Eingriffe. Sustainable Aviation Fuels (SAF).   

Nur 1-2mal jährlich, vierseitig im Zeitungsformat, trifft demgegenüber FLAB ein, das Magazin von KLUG. FLAB steht für «Frische Luft als Bürgerrecht», KLUG für «Koalition Luftverkehr Umwelt und Gesundheit». Auch deren Co-Präsidentin sitzt im Nationalrat: Priska Seiler Graf (SP, ZH). Die Koalition hat vor kurzem mit dem bisherigen Schweizerischen Schutzverband gegen Flugemissionen fusioniert. Sie hat sich fürs CO2-Gesetz stark gemacht und will, dass Kurzstreckenflüge durch Bahnverbindungen ersetzt werden. Eine schmale Spalte in FLAB gehört dem Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Basel-Mülhausen. Das ist deutlich bescheidener als die «Alliance GloBale», die einen monatlichen Newsletter verschickt. «Ein Commitment für den EuroAirport» heisst es im Untertitel.  

Meine Bilanz: Was da alles kreuz und quer über dem Bundeshaus durch die Luft fliegt hätte ich nie geahnt, bevor ich Nationalrat wurde.