Finanzpolitik? Da machen viele am liebsten einen Bogen darum. Das ist doch kompliziert – und knochentrochen! Ich hoffe nun trotzdem, dass die eine oder der andere weiterlesen mag. Denn einmal eingetaucht, offenbart das Thema viele Einsichten und manchmal auch Überraschungen. Und wenn man die Reform-Baustellen des Bundes anschaut, dann muss man oft leer schlucken.

Woher also hat der Bund sein Geld? Meistens ist die erste Antwort: «Das ist doch klar: Von unseren Steuern!» Aber welche Steuer denn? Bei weitem nicht alle Menschen zahlen direkte Bundessteuern, weil man erst ab einer gewissen Einkommenshöhe bundessteuerpflichtig wird. Also die Mehrwertsteuer? Sie wird bekanntlich auf allen Konsumgütern und Dienstleistungen erhoben und ist in der Tat die wichtigste Einnahmequelle des Bundes. Rund 30% seiner Einnahmen hat der Bund aus der MwSt. Im Jahr 2019 waren das rund 22,5 Milliarden Franken.

Fast gleichviel, nämlich 23,4 Milliarden Franken, machen die direkten Bundessteuern aus, und sie kommen ziemlich genau zur Hälfte von den natürlichen Personen und von den juristischen Personen (= Firmen, Stiftungen etc.).

Für das dritte Drittel der Bundeseinnahmen gibt es eine Reihe weiterer Quellen, von den wir sicher schon mal gehört haben: Da ist zum einen der Anteil an den Verrechnungssteuern, die dem Bund zustehen. Es folgen die Mineralölsteuer auf Treibstoffen, die Schwerverkehrsabgaben und die Vignette, weiter die Lenkungsabgaben auf Brennstoffen (sie werden an die Bevölkerung zurückerstattet). Zudem kennen wir die Stempelabgaben und die Zolleinnahmen. Und schliesslich gibt es die Tabaksteuer, die Biersteuer und jene auf gebrannte Wasser.

Verteilung der Einnahmen des Bundes 2019
Verteilung der Einnahmen des Bundes 2019. Eigene Darstellung FW, Daten aus https://www.efv.admin.ch/efv/de/home/themen/finanzstatistik/daten.html (Zugriff 20.8.2021)

Was mich persönlich überrascht: Die Einfuhrzölle machen nur gerade 1,5 Prozent der Bundeseinnahmen aus. Als der Bundesstaat gegründet wurde, waren die Zölle die einzige Einnahmequelle des Bundes! Was den meisten von uns auch nicht dauernd präsent ist (ich nehme mich nicht aus): Zwei Drittel der Bundeseinnahmen beruhen auf befristetem Recht. Die beiden grössten Brocken, das heisst die Mehrwertsteuer und die direkte Bundessteuer, sind in der Bundesfinanzordnung geregelt. Aber diese gilt nur befristet: Sie muss alle paar Jahre von Neuem bekräftigt werden. Das letzte mal ist noch nicht lange her: 2018. Das nächste Mal wird 2035 sein. Schliesslich ist es wohl nicht allen Steuerzahlenden bewusst, dass die Vermögenssteuer – es gibt sie erst seit 1957 – nur an die Gemeinde und an den Kanton geht. Der Bund erhält nichts davon.

Aktuelle Reformvorhaben und weitere Reformpläne

Aktuell steht die Abschaffung eines Teils der Stempelsteuern zur Diskussion: die Emmissionsabgaben auf Wertpapieren. Das Referendum dagegen, welches wir GRÜNE unterstützen, läuft nur noch drei Wochen, also bitte rasch unterschreiben (https://gruene.ch/kampagne/stempelsteuer)! Es wäre dies ein weiterer Schritt in einer Reihe von Reformen, welche immer wieder zum Ziel haben, Steuern zu senken oder ganz abzubauen und damit den Staat an der kurzen Leine zu halten. Und praktisch immer profitieren vor allem jene, die über die grossen Brieftaschen verfügen.

Wir erinnern uns an die Milliardenverluste als Folge der Unternehmenssteuerreform II, als beschlossen wurde, Dividenden nur noch teilweise zu besteuern. Wir erinnern uns, dass mit der Vorlage STAF, als Steuerdumping für Holdings nicht mehr opportun war, die Unternehmen ein weiteres Mal «legal» stark entlastet wurden. Das hat Gemeinden und Kantone getroffen; für den Bund änderte sich wenig. Wir erinnern uns, dass die Erbschaftssteuern fast überall abgeschafft wurden.

Aktuell ist nicht nur die Teilabschaffung der Stempelabgaben in der Pipeline. Auch die Industriezölle sollen abgeschafft werden, wenn es nach dem Bundesrat geht. Das soll die Kosten der Importe von Konsumgütern und von Vormaterialien (die dann weiterverarbeitet werden) senken: zur Freude von Konsumentinnen und Konsumenten sowie der Industrie. Geschätzter Einnahmenverlust für den Bund: 550 Millionen Franken jährlich. Im Nationalrat hatten wir im Juni 2020 diese Reform in der ersten Beratung abgelehnt. Der Ständerat hat sie jedoch im Dezember 2020 befürwortet, und jetzt wankt der nationalrätliche Widerstand: Die vorberatende Kommission ist bereits umgeschwenkt. Am 15. September 2021 wissen wir das Resultat. Wir GRÜNE wollen keine Abschaffung, sondern einen Umbau. Zölle sollen abgestuft werden: Wer griffige Nachhaltigkeitskriterien einhält, soll tiefere Zölle zahlen oder befreit werden, die übrigen jedoch seien wie bisher zu behandeln. Die Aussicht, dass wir damit eine Mehrheit erreichen, ist klein.

Doch damit nicht genug: Der Bundesrat hat im April 2021 seine Botschaft zur Änderung des Verrechnungssteuergesetzes verabschiedet. Das Ziel umschreibt er mit «Stärkung des Fremdkapitalmarkts». Er will die Verrechnungssteuer auf Zinsen weitgehend abschaffen, und auch die Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen soll aufgehoben werden. Geschätzte Mindereinnahmen: 200 Millionen Franken jährlich. Und sollten die Zinsen wieder ansteigen, würden auch der Einnahmenverlust grösser. Die Frage stellt sich natürlich: Wer übernimmt die Differenz?

Bei allen diesen Reformplänen ist zu beachten, dass bisher noch überhaupt nicht klar ist, ob und in welchem Tempo die Corona-Schulden abgetragen werden sollen. Wenn die Schuldenbremse streng ausgelegt wird, dann muss dies innert weniger Jahre geschehen. Zudem kann es gut sein, dass die wichtigsten Einnahmequellen des Bundes in dieser Zeit auch rückläufig sein werden. Wenn je nach Branche viele Gewinneinbrüche oder sogar Konkurse bevorstehen, dann sinken die direkten Bundessteuern. Wenn die Kaufkraft sinkt, weil mehr Menschen unten durch müssen, sinkt die Mehrwertsteuer. Und weitgehend unabhängig von Corona sinken die Treibstoffabgaben, weil (hoffentlich!) immer mehr Elektromotoren die fossil betriebenen Motoren ablösen.

Fazit

Steuern senken ist immer populär. Es gibt viele, die Freude daran haben: Jene, die direkt profitieren, und jene, die gerne künftig zu den Profiteuren gehören würden. Aber damit werden dem Staat auf allen Ebenen (Bund, Kantone, Gemeinden) die Mittel entzogen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht: für die Energiewende, fürs Bildungs- und Gesundheitswesen, für die soziale Sicherheit, für Verkehrsinfrastrukturen auch in Randregionen, und für vieles mehr. Dass der Staat diese Aufgaben erfüllen muss, dazu haben wir Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ihn verpflichtet. «De Batze und s’Weggli» geht einfach nicht.