Die Legislaturplanung 2023-2027 des Bundes mit Überhitzung
Am zweiten Tag der Sondersession vertiefte sich der Nationalrat siebeneinhalb Stunden lang in die Legislaturplanung 2023-2027. Als Mitglied der vorberatenden Kommission war ich massgebend involviert. Der schönste Moment: Die Finanztransaktionssteuer ist einen grossen Schritt näher gerückt. Der verrückteste: Die Abstimmungsanlage wollte nicht mehr. Doch der Reihe nach.
Kurz nach dem Start einer neuen Legislatur, wenn auch alle Bundesrätinnen und -räte gewählt sind und ihre Departemente übernommen haben, veröffentlicht der Bundesrat seine Legislaturplanung. Anschliessend hat das Parlament das Recht, an diesem Werk weiterzuarbeiten, es zu ergänzen oder abzuändern. Wir im Nationalrat durften beginnen. Wie üblich nimmt sich zuerst eine 25-köpfige Kommission der Sache an. Darin sind die Fraktionen proportional zu ihrer Stärke vertreten. So wurde also die temporäre Legislaturplanungskommission eingesetzt: Sie tagte im Februar/März viermal. Seitens der GRÜNEN waren wir zu dritt vertreten: Greta Gysin (TI), Fabien Fivaz (NE) und ich. Wir haben uns an vielen Stellen eingebracht. Mehrheitlich sind wir zwar aufgelaufen, aber ein paar Spuren konnten wir legen, vor allem dann, wenn in der Kommission ein Input von uns ein wenig modifiziert wurde, sodass er für die Mehrheit – und am besten auch für den Bundesrat – schmackhaft wurde. Die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission wurden im Rat fast durchwegs bestätigt.
Die bundesrätliche Vorlage umfasst 4 Leitlinien, denen 25 Ziele zugeordnet sind. Aus diesen wiederum ergaben sich vorerst 112 Massnahmen, und nach der Nationalratsdebatte sind es nun noch ein paar mehr. Als Schwerpunkte lassen sich erkennen: Beziehungen zur EU, Sicherung der Finanzen, Klimaschutz, Energieversorgung, Künstliche Intelligenz, Krisenmanagement und Wiederaufbau der Ukraine.
Wir führten die Debatte in vier Blöcken und hatten jedes Mal rund 25 Abstimmungen. Das überhitzte die Systeme: Kurz nach 16 Uhr streikte die elektronische Abstimmungsanlage. Daraufhin debattierten zu Block 4, aber abstimmen konnten wir erst am Folgetag wieder. Das Zwischenergebnis geht nun an den Ständerat, der im Juni weiter daran feilt, und dann bei Bedarf gleich noch in die Einigungskonferenz, für die ich ebenfalls designiert bin.
Beim Klimaschutz zwei-drei Zacken zulegen
Die Position der GRÜNEN konnte ich sowohl bei der Eintretensdebatte als auch beim Block 4 zur Leitidee «Die Schweiz schützt das Klima und trägt Sorge zu den natürlichen Ressourcen» vertreten. Hier ein Auszug aus letzterem:
«Leitidee 4 gehört eigentlich an die erste Stelle. (…). Bei der Klimafrage handelt es sich um die wichtigste Herausforderung des Jahrhunderts, weltweit. Wir kommen als Schweiz in Sachen CO2-Reduktion einfach noch viel zu langsam voran. Um dies festzustellen, braucht es nicht einmal das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Wenn wir nicht zwei-drei Zacken zulegen, dann werden wir unsere Klimaziele niemals erreichen. Wenn wir nicht rigoros Gegensteuer geben, werden wir auch den Artenschwund nicht aufhalten können. Das ist auch der Bevölkerung bewusst, und sie erwartet von uns, von Regierung und Parlament, dass wir mutig die Massnahmen beschliessen und einleiten. Wir können uns nicht einfach hinter der direkten Demokratie verstecken. Natürlich hat die Stimmbevölkerung das letzte Wort, aber WIR müssen zuerst unsere Arbeit tun, damit die erwachsenen Schweizerinnen und Schweizern abstimmen können.»
Mein Votum in voller Länge (5 min.) ist hier nachzulesen oder als Video zu sehen und zu hören.
Abkommen mit der EU: Diesmal kann es gelingen!
In der Auftakt-Debatte hatte ich mich direkt an Bundespräsidentin Viola Amherd gewandt; sie war während des ganzen Tages dabei und hat jeweils die Bundesratsposition dargelegt. Ich habe einen Teil meines Redebeitrags dem Verhältnis Schweiz-EU gewidmet:
«Das Verhältnis zur Europäischen Union hat in dieser Legislaturplanung einen prominenten Platz. Das braucht es aus Sicht von uns GRÜNEN. wir möchten dem Bundesrat zurufen: Diesmal klappt’s, Frau Bundespräsidentin! Diesmal bringen wir das Abkommen, die Bilateralen III, unter Dach und Fach! Wir brauchen geregelte Beziehungen, und jetzt sind wir nahe dran, ohne dass wir zentrale Werte unseres Landes preisgeben müssen. Bundesrat, verhandle tough und selbstbewusst, und lass dich nicht im eigenen Land in die Ecke treiben, auch nicht vom Säbelrasseln von gewissen Gewerkschaftsbosse! Der Kreis jener, die an den Erfolg glauben und ihn wollen, ist gross und wachsend. Es braucht aber eine offensive, mitreissende Kommunikation zwischen dem Bundesrat und der Bevölkerung!»
Mein Votum in voller Länge (4:15 min.) ist hier nachzulesen oder als Video zu sehen und zu hören.
Finanztransaktionssteuer rückt näher
Die Idee ist alles andere als neu: Eine Finanztransaktionssteuer (FTS) im Promillebereich auf allen Übertragungen von Wertpapieren, Devisen und Derivaten. Wie ich in meinem März-Newsletter berichtet hatte, habe ich dazu die Motion 24.3106 eingereicht. Auch in der Legislaturplanungskommission habe ich das Anliegen eingebracht: In der laufenden Legislatur soll der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft zur Einführung der FTS unterbreiten. Mein Antrag enthielt zunächst keine Zweckbindung. Dann kam am 3. März die Abstimmung über die 13. AHV-Rente, und unter diesem Eindruck haben wir in der Kommission den Zusatz «zur Finanzierung der AHV» beigefügt. Das machte meinen Antrag mehrheitsfähig, auch im gesamten Rat mit 97 zu 87 Stimmen. Da der Ständerat unter dem Titel «Finanzmarkttransaktionssteuer» vor zwei Jahren ein Postulat des Mitte-Vertreters Beat Rieder (VS) überwiesen hat, könnte es sein, dass diese Massnahme in der Legislaturplanung Bestand hat. Wir sind gespannt!