Es gab diverse knappe Entscheidungen in dieser Wintersession. Dabei beobachte ich nicht zum ersten Mal eine Grundtendenz: Vorlagen, bei denen Ökologie im Fokus steht, haben es schwer. Vorlagen, bei denen es um gesellschaftsliberale Anliegen geht, sind eher mehrheitsfähig, manchmal sogar entgegen der vorberatenden Kommission. Und Ideen für Steuerentlastungen der «grossen Fische» sind leider sehr beliebt (Stichwort Tonnagesteuer), obwohl dieselben Kreise die drohende Finanzknappheit des Bundes beschwören. Da muss am Schluss wohl wieder das Volk den Riegel schieben.

«Nur Ja heisst Ja!» war ein erster Lichtblick: Bei der Revision des Sexualstrafrechts (18.043) setzte der Nationalrat im zentralen Punkt auf die Zustimmungslösung, gleich wie die vorberatende Kommission, aber anders als der Ständerat, der im Herbst die Widerspruchslösung bevorzugt hatte. Bei uns in der grossen Kammer war das Resultat 99 zu 88 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Es bleibt spannend, ob der Ständerat im nächsten Frühling umschwenkt.

Deutlich war das Resultat bei der Parlamentarischen Initiative 15.434 «Mutterschaftsurlaub für hinterbliebene Väter». Es gibt in der Schweiz pro Jahr etwa fünf dieser tragischen Fälle, in denen die Mutter bei der Geburt ihres Kindes oder kurz danach stirbt. Aktuell verfällt in dieser Situation der Urlaub. Die Väter des Neugeborenen haben bloss die zwei Wochen, die wir vorletztes Jahr eingeführt hatten. Künftig soll der Urlaub auf sie übertragen werden. Die Ratsrechte wollte allerdings den Vaterschaftsurlaub wieder abziehen. In der vorberatenden Kommission hatte sie damit noch die Mehrheit. Im Rat war es dann recht deutlich: 76 zu 112 für die menschlichere, etwas grosszügigere Lösung. Nun übernimmt der Ständerat.  

Wie ein Faustschlag in die Magengegend fühlte sich jedoch der Entscheid an, den der Nationalrat bereits als Zweitrat gefällt hat: Er stimmte der Motion 20.4738 Ettlin «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» zu. Sehr knapp mit 95 zu 93 (plus 4 Enthaltungen), aber eben doch. Der Titel tönt vertrauenserweckend, aber effektiv geht es um die Verhinderung von kantonalen Mindestlöhnen. Damit missachtet die Ratsmehrheit den Föderalismus und die kantonalen Volksentscheide in fünf Westschweizer Kantonen. Für mich ein absolut unverständlicher, eigentlich skandalöser Entscheid.

Wie ein Boxkampf fühlt sich seit ein paar Jahren auch die Steuerpolitik auf nationaler Ebene an. Mehrmals hat das Volk den Plänen eine Abfuhr erteilt, mit Steuersenkungen vor allem die Wohlhabenden oder Konzerne zu entlasten. Aber bereits hatten wir wieder eine solche Vorlage zu debattieren: Die Tonnagesteuer auf Seeschiffen (22.035).  Die Schweiz ist eine Grossmacht in der Hochseeschifffahrt; viele Reedereien haben ihren Sitz in Genf oder Zug. Nun will der Bundesrat und eine Ratsmehrheit an Stelle der bisherigen Gewinnsteuern (die eigentlich für alle juristischen Personen gelten) neu eine Pauschalsteuer einrichten, die den Reedereien saftige Einsparungen verspricht. Das ist recht eigentlich im Widerspruch zu unserer Verfassung, es ist ungerecht und unökologisch. Doch das alles ist für die Mehrheit im Nationalrat (99:85, 3 Enthaltungen) kein Argument. Was wird der Ständerat tun?

Gleich fünf Ratsmitglieder aus fünf verschiedenen Parteien (GRÜNE, FDP, GLP, EVP, SP) hatten letztes Jahr eine gleichlautende Parlamentarische Initiative «Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur» eingereicht, darunter meine Parteikollegin Marionna Schlatter ZH (21.436). Sie wollten einen Prozess anstossen, um in der Bundesverfassung den Schutz von Umwelt und Natur zu stärken. Das Recht von uns Menschen auf eine gesunde Umwelt soll ein Grundrecht werden, und die Natur soll mindestens partiell den Status eines Rechtssubjekts erhalten. Trotz fünffacher Abstützung hat es nicht gereicht: Mit 101:87 scheiterte das Vorhaben schon an der ersten Hürde. Das gleiche Schicksal erlitten in dieser Session rund 20 weitere Pa.Iv. Weiterverfolgt werden bloss drei, welche von der vorberatenden Kommission deutlich empfohlen wurden.

Unter den leider gescheiterten Pa.Iv. war die Nummer 21.447 meiner Fraktionskollegin Valentine Python, VD. Es war wohl derjenige Vorstoss mit dem grössten Effekt auf Nachhaltige Entwicklung, wenn er eine Chance bekommen hätte: «Das Konzept der planetaren Belastungsgrenzen anerkennen». Das Resultat von 84:103 zeigt exemplarisch, wie die Kräfteverhältnisse aktuell gegenüber durch und durch «grünen» Anliegen sind. Es bleibt der Weg über die Volksinitiative der Jungen Grünen. Noch nicht unterschrieben? Dann dringend noch vor Weihnachten und sofort einschicken!