Zeitschriften in Fülle und Hülle – mein zwölfter Beitrag zum Lobbying
Seit ich Nationalrat bin, ist unser Briefkasten oft prall gefüllt – nicht mit Ratsunterlagen, sondern mit Zeitschriften, Magazinen, Verbandsorganen. Die Adressen von uns Ratsmitgliedern sind ja nicht geheim, und es ging ziemlich schnell, da war ich «Abonnent» von gar manchem Organ. Ungefragt und gratis, aber mit einem Gegenwert von gewiss zweitausend Franken. Würde ich die Zeitschriften alle aufeinander beigen, es ergäbe einen veritablen Stapel.
Manchmal ist sehr offensichtlich, wer um meine Gunst wirbt, nämlich dann, wenn es sich um ein eigentliches Verbandsorgan handelt. Etwas schwieriger zu durchschauen ist es bei Verlagsprodukten, die nicht das Logo einer Organisation oder Allianz tragen: Wem bin ich so viel wert, und wozu? Beispielsweise die beiden am aufwändigsten gemachten Magazine: Zum einen «persönlich – Das Schweizer Kommunikationsmagazin»: grossformatig, zehn Mal pro Jahr, jeweils rund 120 Seiten stark, offensichtlich das Hobby des Redaktors und Verlegers Matthias Ackeret. Oder «ensuite – Zeitschrift für Kultur & Kunst», sogar 11 Nummern jährlich, jeweils 84 Seiten, mit ausführlichem Serviceteil, herausgegeben vom Verein WE ARE in Bern. Beide Hefte könnten abonniert werden: Als Normalsterblicher müsste ich dafür 145 bzw. 120 Franken hinblättern.
Noch etwas teurer, nämlich 168 Franken gemäss Impressum, wäre ein Blatt in Zeitungsaufmachung, 18mal pro Jahr, mit dem Titel «Zeit-Fragen», Untertitel «Zeitung für freie Meinungsbildung, Ethik und Verantwortung für die Bekräftigung und Einhaltung des Völkerrechts, der Menschenrechte und des Humanitären Völkerrechts». Hä? Diese Zeitung hört nicht auf, russlandfreundlich zu sein. Sie wettert gegen die EU, die USA und die Erziehungswissenschaft. Und sie hat eine Zwillingsschwester im genau gleichen Fahrwasser: «Zeitgeschehen im Fokus» aus Dietikon, «Schweizer Zeitung für mehr soziale Verbundenheit, Frieden und direkte Demokratie». Na ja, das hat mir jetzt nicht gefehlt.
Da weiss man bei zwei anderen häufig eintreffenden Zeitungen eindeutiger, woher sie stammen: Alle zwei Wochen die dreibündige Zeitung des Gewerbeverbandes Baselland, und alle drei Wochen kommt SEV – Die Zeitung der Gewerkschaft des Verkehrspersonals. Immerhin auch elfmal pro Jahr, und erst noch jeweils grafisch perfekt und dreisprachig, treffen sowohl «Krankenpflege – Soins infirmiers» des Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und -männer als auch «Die Schweizer Gemeinde», das Magazin des Schweizerischen Gemeindeverbandes, bei mir ein. Bei beiden schaue ich auch gern mal rein, weil mich viele der Themen interessieren. Abonniert wären sie je um die 100 Franken wert.
Freigiebig und sendungsbewusst (ha ha, ein Wortspiel…) sind diverse Verbände im Verkehrssektor: zu Luft, zu Wasser, zur Strasse. Die «Schweizerische Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft» – wie konnte ich früher nicht wissen, dass es das gibt – ruft sich 10x jährlich mit «SVS aktuell» in Erinnerung. Der Schweizerische Nutzfahrzeugverband ASTAG liefert 6x frei Haus das 64-seitige Magazin «STR – Reportagen aus dem Strassentransport». Präsident Thierry Burkard (Ständerat FDP AG) wirft sich in jeder Nummer in Pose. Da ist Walter Wobmann (Nationalrat SVP SO) etwas zurückhaltender, aber die von ihm präsidierte Föderation der Motorradfahrer Schweiz hat es noch nicht aufgegeben, 5x j. mit «Moto News» bei mir zu punkten. Die Flughafen Zürich AG beehrt uns oft vor der Session mit ihren 12-seitigen «Politikbrief».
Betont armeefreundlich ist «Pro Libertate» mit sechs Heften pro Jahr. Der Verein «Pro Militia» fliegt halb so oft zu, und der Schweizerischen Gesellschaft Technik und Armee STA reichen zwei Nummern in der überschaubaren Auflage von 700 (mich Ausgemusterten mitgezählt). Zum Ausgleich haben wir mindestens viermal jährlich die «GSoA-Ziitig». Die passende Ergänzung heisst «Zivilschutz Schweiz», übrigens in Olten bei «chili media» produziert. Nie fehlt das Gruppenbild mit Präsidentin Maya Riniker (Nationalrätin FDP AG).
Eine Art Fernduell liefern sich – klimaneutral gedruckt – der Schweizer Verband der dipl. HF mit ihren «Bulletin ODEC» und «FH Schweiz» des Dachverbandes Absolvent:innen Fachhochschulen. Pro Quartal erfahren wir, was auf der tertiären Bildungsstufe zwischen HF und FH abgeht.
An anderer Stelle habe ich schon mehrfach Einblick ins intensive Lobbying in der Gesundheitspolitik gegeben: Es findet vor allem per Mail und an Anlässen statt. Mit Druckerzeugnissen hält sich diese Szene eher etwas zurück, aber es gibt sie auch: Meist knapp und knackig, auf wenigen Seiten, ergo verdaubar. Fünf Nummern produziert «INFO santésuisse», vier die «Groupe mutuel», die Schweizerische Gesellschaft für Gesundheitspolitik und (unter dem Titel «Politik+Patient») der Verband Deutschschweizer Ärztegesellschaften VEDAG. Mit zwei Ausgaben pro Jahr «DEFACTO» hält sich Argomed Ärzte AG, Lenzburg, in Erinnerung. In gleichem Abstand trifft auch «Millefolia» ein, das Bulletin des Dachverbandes Komplementärmedizin.
Was wären wir ohne Bauwirtschaft? Deren Verbände sind besonders per Mail auf dem Quivive, aber es kommt auch handfest Gedrucktes: Die «Schweizerische Bauwirtschaft» des Baumeisterverbandes, aufwändig und schön illustriert, die Schweizerische Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen halbjährlich zweisprachig mit «usic-news» (USIC ist die welsche Abkürzung). Auch da erreicht uns quartalsweise eine Art Komplementärpost – mit tatkräftiger Unterstützung des Bundesamtes für Kultur: Das NIKE-Bulletin der Nationalen Informationsstelle zum Kulturerbe.
Weitere rund 30 Periodika habe ich jetzt noch nicht erwähnt, und selbstverständlich auch nicht jene, die den Weg zu mir finden, weil ich selber Mitglied oder zahlender Abonnent bin. Eine Revue möchte ich zum Schluss speziell würdigen: Die 6x-jährlich publizierte, jeweils 32 Seiten starke «Schweizer Revue – Die Zeitschrift für Auslandschweizer» von Swiss Community. Man kann sie für 30 Franken abonnieren oder sie online durchstöbern. Sie bringt Heimat in die ganze Welt und öffnet mir oft die Augen. Dieses Lobbying wirkt.