
Wie muss der Bund neue Ausgaben finanzieren?
Der Bundesrat muss einen Bericht zur Gegenfinanzierung kostenintensiver Vorlagen ausarbeiten. Das verlangt ein Postulat der FDP, welches am 7. Mai deutlich (mit 127 zu 60 Stimmen) angenommen wurde – leider. Auslöser für das Postulat war der Volksentscheid zur 13. AHV-Rente, bei welcher die FDP (und die bürgerliche Mehrheit insgesamt) gehörig kalt geduscht wurde. Nun muss der Bundesrat also darlegen, ob kostenintensive Vorlagen – Gesetze oder Initiativen – künftig zwingend eine klare Finanzierung ausweisen müssen. Nur so dürften sie zur Entscheidung vorgelegt werden. Vordergründig scheint dies vernünftig. Es widerspricht allerdings fundamentalen Grundsätzen der Finanzierung von öffentlichen Aufgaben. Darum habe ich das Postulat der FDP-Fraktion mit dem nachfolgenden Votum bekämpft.
„Liebe Ratskolleginnen und -kollegen
Ich bitte Sie, das vorliegende Postulat abzulehnen. Wenn wir heute schon das Jubiläum 175 Jahre Schweizer Franken feiern, dann passt es gut, wenn wir zum Thema Finanzierung der öffentlichen Aufgaben etwas grundsätzlich werden. Und die Grundsatzfrage lautet ganz einfach: «Wie soll der Staat, in unserem Fall wie soll der Bund seine Aufgaben finanzieren?» Die Antwort ist ebenso klar: Er soll sie in erster Linie aus allgemeinen Steuereinnahmen finanzieren, also aus dem Mix von Steuern auf Einkommen, auf Vermögen, auf Gewinnen von Unternehmen, auf Konsum und auf Finanztransaktionen. Zusammen bilden diese Quellen den grossen Teil der allgemeinen Bundeseinnahmen, und das völlig zu Recht: Sie sind eben gerade NICHT zweckgebunden! Das ist ein äusserst wichtiger finanzpolitischer Grundsatz, der genau deswegen so wichtig ist, weil sich der Finanzbedarf der öffentlichen Hand über die Jahre hinweg immer wieder verschieben kann. Als Parlament müssen wir diese Beweglichkeit unbedingt hochhalten und verteidigen.
Es gibt ein paar berechtigte Ausnahmen: Wir finanzieren die Sozialversicherungen mehrheitlich aus gezielten und zweckgebundenen Einnahmen, insbesondere Lohnbeiträge oder Versicherungsprämien, zu einem kleinen Teil aus Konsumsteuern. Weiter ist es korrekt, dass wir die Erträge aus Gebühren in einer engen Zweckbindung einsetzen, und dass die Gebühren so hoch sind, dass der Ertrag reicht, aber nicht höher ausfällt. Schliesslich gibt es zu Recht Steuern und Abgaben mit einer Lenkungsabsicht und Lenkungswirkung: Sie werden erhoben auf Produkten oder Verhaltensweisen, welche die Gesundheit oder die Umwelt belasten und damit Kosten für die Allgemeinheit verursachen. Ihr Ertrag soll zur Verringerung dieser Belastungen, oder für die Prävention, eingesetzt werden. Das sind die berechtigten Ausnahmen.
Ausgelöst wurde das vorliegende Postulat mit dem Volksentscheid zur 13. AHV-Rente. Die AHV-Finanzierung insgesamt erfolgt auch künftig zweckgebunden, das steht ausser Zweifel, und darum müssen wir in dieser Frage die Parameter diskutieren. Aber daraus dürfen wir auf keinen Fall eine allgemeine Regel ableiten. Auch für künftige neue und kostenintensive Aufgaben des Bundes muss weiterhin heissen: Sie werden aus allgemeinen Bundesmitteln gespiesen. Das ist der Normalfall. Wenn wir diesen Pfad verlassen, kommen wir in Teufels Küche: Für jede staatliche Aufgabe ihren eigenen Finanzierungsfluss! Die logische Konsequenz daraus: Jede und jeder will, dass seine Steuern nur für jene Aufgaben verwendet werden, die ihr oder ihm wichtig sind.
Ein aktuelles Beispiel: Die Forderung der Mehrheit der Sicherheitskommission, darunter der FDP-Vertretung, nach einer zusätzlichen Milliarde für Munition. Stellen Sie sich vor, die Kommission würde gleich mitbeantragen, mit welcher neuen Finanzierungsquelle sie diese Milliarde zusätzlich zusammenträgt. Das macht sie selbstverständlich nicht, dafür müssen die allgemeinen Bundesmittel herhalten. Schliesslich singen die gleichen Leute das Hohelied von der Begrenzung der zweckgebundenen Ausgaben.
Die Idee hinter diesem Postulat ist finanzpolitisch bedenklich. Sie wird absurd, wenn wir sie zu Ende denken. Die finanzpolitischen Prinzipien, an die ich einleitend erinnert habe, wurden von unserem Finanzdepartement eigentlich immer hoch gehalten. Ich verstehe darum nicht, wie der Bundesrat dazu kommt, dieses Postulat zur Annahme zu empfehlen. Ich kann es mir nur damit erklären, dass es sich um eine parteipolitische Gefälligkeit handelt.“