
Was kümmert uns der Schnee von gestern? Sessionsrückschauen
Blog #20 zum Funktionieren des Lobbyings in Bundesbern
Wenn am 26. September die Ratspräsidentin verkündet: «Die Session ist geschlossen», gefolgt vom Klang der Glocke auf ihrem Präsidiumspult, dann ist gut und gern die Hälfte des Saals bereits in der Vorwärtsbewegung und strebt den Ausgängen zu. Schlagartig wird es ruhig unter der Bundeskuppel. Fast ruhig: Denn kaum ist die Session zu Ende, treffen diverse Mails von Lobby-Kreisen unter dem Titel «Sessionsrückblick» ein. Die einen sogar schon ein paar Stunden früher.
Es ist eigentlich schon interessant: Da melden sich Organisationen im Nachhinein mit einem Rückblick auf die Session und bewerten die Entscheidungen, die für sie relevant waren. Was kann ihre Absicht sein, nachdem die Würfel gefallen und die Pultdeckel heruntergeklappt sind? Es geht ganz offensichtlich darum, sich in Erinnerung zu halten und Vertrauen für die künftige Kontaktpflege aufzubauen.
Ich habe schon verschiedentlich darüber berichtet, dass wir jeweils im Vorfeld einer Session – sobald das Programm bekannt ist – eine grosse Zahl Sessionsbriefe erhalten: Von Organisationen, Verbänden und Allianzen, die uns zu mehreren Geschäften der bevorstehenden Session ihre Empfehlungen schicken, wo wir wie abstimmen sollen (siehe hier). Per Mail kommen jeweils etwa 55 solcher Sessionsbriefe, fast 50 von Ihnen von den immer gleichen Absendern. Per Post kommt rund ein halbes Dutzend.
Die rückblickenden Sessionsbriefe sind um einiges weniger zahlreich – aber es nimmt langsam zu. In letzter Zeit waren es zwischen sieben und elf, alle per E-Mail. Diese Organisationen, die mit uns Rückschau halten, hatten sich in aller Regel schon vor der Session mit einer Vorausschau gemeldet. Und auch hier gibt es «Dauergäste», die inzwischen keinen Sessionsrückblick mehr auslassen. Ganz offensichtlich gibt es für sie in jeder Session ein paar relevante Geschäfte.
Das gilt zum Beispiel für den Schweizer Tierschutz STS. In jeder Session gibt es eine Reihe von Entscheidungen, welche mit dem Tierrecht und Tierwohl zu tun haben: Nutztiere oder Wildtiere. Ein Dauerthema ist bekanntlich der Wolf. Manchmal verweist der Rückblick auf Gesetzesanpassungen, im Dezember auf die Budgetentscheide, und oft auf Vorstösse aus den Kommissionen oder auf Motionen und Postulate von einzelnen Ratsmitgliedern, über die der Rat zu befinden hatte. Natürlich bezieht der Verband Stellung: Daumen hoch, wenn die Ratsmehrheit in seinem Sinn gestimmt hat, Daumen runter im gegenteiligen Fall. Abgerundet wird der Rückblick mit der Liste neu eingereichter «tierrelevanter» Vorstösse, samt Verlinkung zum Vorstosstext, der auf der Parlaments-Webseite hinterlegt ist.
Auch zur Medienpolitik läuft in jeder Session etwas, und das wird sich nicht so schnell ändern. Darum schaut der Verlegerverband Schweizer Medien (VSM) respektive seine Direktorin Pia Guggenbühl jedes Mal auf die Session zurück. Beispielsweise gab es im Blick zurück auf die Sommersession 2025 gleich acht Entscheide, die einen Kommentar aus Verlegersicht verdienten. Der Verlegerverband setzt sich vehement gegen Fake-Nachrichten, für fair bezahlten Journalismus und gegen die SRG-Halbierungsinitiative ein: Er hat meine Sympathie.
Obwohl die Sessionsrückblick-Mails bisher überschaubar sind, lässt sich etwas über die Branchenzugehörigkeit aussagen. Auffallend ist, dass zwei verwandte Organisationen keinen Rückblick auslassen: HotellerieSuisse und GastroSuisse. Die beiden arbeiten ja oft zusammen; zusätzlich mit Schweiz Tourismus. Fürs interessierte Publikum ist alles zugänglich: Die Verbände schalten ihre Rückblicke – die Vorschauen natürlich auch – auf ihren Webseiten frei: Hier Hotellerie und hier Gastro.
Die Informatikbranche gehört ebenfalls zu jenen, die sich oft in Erinnerung ruft. Unter ihnen meldet sich SWICO, der Wirtschaftsverband der ICT- und Online-Branche, jeweils rückblickend. Ähnlich regelmässig meldet sich der Schweizer Baumeisterverband: Er hat, was die Verbindungen zur Politik anbelangt, immerhin vier Dossierverantwortliche. Diese sind wohl besser vorbereitet als manch ein Parlamentsmitglied…
Und schliesslich nutzt der Verband des öffentlichen Verkehrs LITRA das Instrument des Rückblicks: Zwar nicht auf die Session als Ganzes, sondern «nur» auf seine eigene Sessionsveranstaltung, die jedesmal (!) in der Schlusswoche am Mittwoch über Mittag stattfindet. Selbstverständlich sind wir immer alle eingeladen. Und für jene, die das Treffen verpasst haben, gibt es lückenlos die Präsentationen, die Teilnehmer:innen-Liste (was würde der Datenschutzbeauftragte davon halten?) und zahlreiche Foto-Impressionen: Nahaufnahmen bei Apéro und Networking. Inspektor Maloney würde wohl sagen: «So geht das».