Während den Sessionen werden wir immer wieder – oft über Mittag – zu Veranstaltungen eingeladen. In meinen Betrachtungen zum Funktionieren des Lobbyings im Bundeshaus habe ich schon mehrfach ein Licht darauf geworfen, etwa mit meinem Beitrag zu den Einladungen mit Apéro oder zur Bedeutung von parlamentarischen Gruppen.

Zu den Parlamentarischen Gruppen (PG), welche jedes Mal für gehaltvolle und aktuelle Mittagsanlässe sorgen und dazu kompetente Fachleute einladen, gehört die PG Biodiversität und Artenschutz. So war es auch am 12. Juni. Wir waren für eineinhalb Stunden eingeladen zum Anlass «Verunreinigtes Grundwasser – Trinkwasserversorgung und Biodiversität in Gefahr?». Selbstverständlich wurden wir gleich auch geschmackvoll und nachhaltig verpflegt.

Das Grundwasser lebt – aber wie lange?

Wir erlebten drei Kurzreferate von versierten Fachpersonen, welche spannende und wichtige Fragen auslösten. Den Anfang machte Florian Altermatt, Leiter der Forschungsgruppe Grundwasser und Direktionsmitglied bei der EAWAG, der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Teil der ETH). Sein Institut blickt weit in die Tiefe: In unserem Grundwasser, in völliger Dunkelheit, hat es zahlreiche Lebewesen, vor allem Mikroben und kleine Krebse. Sie erfüllen sehr wichtige Funktionen. Die Schweiz speist 80% des Trinkwassers aus Grundwasser. Umso wichtiger ist es, dass dieses sauber ist. Die Forschungen zeigen sehr deutlich, dass die Kleinlebewesen in gewissen Grundwasserströmen stark dezimiert sind: Dort, wo oberirdisch viele Pestizide, Nitrate und andere Chemikalien (z.B. PFAS) eindringen. Das gefährdet vielerorts die Qualität des Trinkwassers.

Grenzwertüberschreitungen bei zu vielen Grundwasser-Messstellen

Rolf Meier, Vizedirektor von SVGW, dem Fachverband für Wasser, Gas und Wärme, knüpfte hier an: «Chemische Verschmutzungen im Grund- und Trinkwasser sowie Versorgungssicherheit.» In diversen Regionen der Schweiz steigt das Risiko, dass in Zeiten anhaltender Hitze und Trockenheit die Trinkwasserversorgung gefährdet ist. Diese Gefahr steigt, wenn das Trinkwasser mit Chemikalien verunreinigt ist – was vor allem im bevölkerungsreichen Mittelland leider verbreitet vorkommt: 50% der Grundwasser-Messstellen im ackerbaulichen Gebiet weisen Grenzwertüberschreitungen auf!

In unserem Land ist ja die Überzeugung weit verbreitet, dass wir jederzeit ausgezeichnetes Trinkwasser hätten. Auch wenn die Verantwortlichen der Wasserversorgung das Möglichste tun, dass es so ist: Gewisse Schadstoffe, etwa die «Ewigkeitschemikalien», bringen sie nicht aus dem Wasser heraus. Eine mögliche kurzfristige Antwort: Man mischt Wasser aus unbelasteten Quellen hinzu. Dies jedoch wird genau dann schwierig, wenn es längere Zeit nicht genug geregnet hat. Viele Trinkwasserfassungen mussten bereits aufgegeben werden. In solchen Fällen muss gemeindeübergreifend zusammengearbeitet werden; manchmal braucht es teure neue Leitungssysteme. Rolf Meier sieht die Lösung nur darin, dass die Schadstoffe an der Quelle eliminiert werden, sodass sie gar nicht ins Grundwasser eindringen können: «Persistente und mobile Stoffe dürfen nicht in den Wasserkreislauf gelangen. PFAS sollen verboten und wo möglich ersetzt werden». Alleine «essential use» würde er zulassen, etwa für medizinische Zwecke, wobei die Stoffe kontrolliert entsorgt werden müssten, damit sie nicht in die Umwelt gelangen.

Wassergesundheit wirkt sich auf Menschengesundheit aus

Den Bogen zur menschlichen Gesundheit schlug Ellen Fritsche, Direktorin des Schweizerischen Zentrums für Humantoxikologie SCAHT: Klimaverhältnisse, Schadstoffe, Staub und Strahlung wirken ständig auf uns Menschen ein. Die Umweltgesundheit – das heisst Gesundheit der Böden, der Luft, des Wassers, der Nahrungskette – wirkt sich unmittelbar auf menschliche Gesundheit aus. Wenn spezifisch das Wasser (Grund- und Trinkwasser) analysiert wird, müssen wir Medikamentenrückstände, halogenierte Kohlenwasserstoffe (HKW) und vor allem die Pflanzenschutzmittel genau anschauen. Die Zahl der Studien steigt weltweit, welche belegen: Die Gehirnentwicklung vorgeburtlich und in der frühen Kindheit wird häufiger gestört. Das Krebsrisiko steigt. Diverse Schadstoff-Gruppen führen zu verminderter Fruchtbarkeit, Frühgeburten, Entwicklungsverzögerungen, mehr Erkrankungen des Nervensystems, Schwächung des Immunsystems und verschlechterter Impfreaktion. Hinzu kommt, dass viele mögliche Zusammenhänge noch nicht erforscht sind, zum Beispiel die Wirkung von Mixturen oder die Effekte «long-term low-dose», also tiefe Dosis, aber langandauernde Exposition. Ellen Fritsche schloss mit einem Plädoyer für den «one health»-Ansatz und dem Beizug von Fachleuten der Humantoxikologie bei den Umweltdebatten der Politik.

Der übergeordnete Rahmen: Wassermanagement – national

Die drei Präsentationen sind hier öffentlich einsehbar. Der Anlass der Parlamentarischen Gruppe Biodiversität und Artenschutz reiht sich gut ein in eine Reihe von Veranstaltungen, aber auch politischen Vorstössen zum Gesamtthema Wassermanagement. Im Frühjahr 2024 ist es uns GRÜNEN bei der Beratung der Legislaturplanung des Bundesrats gelungen, als weitere Massnahme in dieses Programm zu integrierten: «Verabschiedung der Strategie «Wassermanagement – Trockenperioden, Starkniederschläge, Qualität der Wasserversorgung, Schutz der Wasserlebensräume». Das zuständige Bundesamt BAFU ist daran, diese Strategie auszuarbeiten. Es weist jedoch bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass die Wasserhoheit bei den Kantonen liegt.

Grundwasserströme halten sich nicht an Kantonsgrenzen, im Gegenteil: Sehr oft liegt ihr Einzugsgebiet in zwei oder mehr Kantonen. Darum habe ich die Interpellation 25.3691 «Funktionale Wasserregionen als Basis für künftiges Wassermanagement» eingereicht. Bis September sollten wir Antworten haben.