Bundesbudget – Was sind eigentlich die grossen Linien?
Wintersession gleich Budgetsession. Am Emotionalsten wurde es bei den Nachtzügen nach Kopenhagen-Malmö (10 Millionen, gestrichen) und bei den Geldern für Prävention gegen häusliche Gewalt (1 zusätzliche Million, gewährt). Die grossen Linien dieses Budgets sind jedoch geprägt durch das drohende Abbauprojekt ab 2027 einerseits, den unerwarteten Geldsegen aus Genf andererseits. Warum ausgerechnet eine Oppositionspartei am meisten zum Bundesrat halten würde, führe ich hier aus.
Die Schweiz startet mit der Aussicht auf ein Jahr mit positivem Rechnungsabschluss ins 2026. Das gesamte ordentliche Budget bewegt sich auf einer Höhe von gut 90 Milliarden Franken. Der «strukturelle Saldo», wie das in der Fachsprache genannt wird, beträgt nach der heutigen Schlussabstimmung rund 84,6 Millionen Franken. Wenn es nach dem Bundesrat gegangen wäre, dann wäre er sogar bei 372,2 Millionen Franken angekommen. Wenn es am Schluss des Jahres so herauskommt (was nie eintrifft, siehe unten), würde dieser Saldo für den Abbau der Coronaschulden eingesetzt.
Bürgerliches Parlament lässt bürgerlichen Bundesrat dreimal im Regen stehen
Die Parlamentsmehrheit gewichtet bei drei – aus meiner Sicht – entscheidenden Punkten anders als der Bundesrat, und anders als wir GRÜNEN: Es will noch mehr für Rüstung und noch weniger für Entwicklungshilfe sowie für das Bundespersonal. Dazu ist anzumerken: Vor einem Jahr hat diese Parlamentsmehrheit bereits massive Zusatzausgaben bei der Rüstung und massive Kürzungen bei der Entwicklungshilfe und den humanitären Aktionen beschlossen. Zudem hat es unter dem Titel «Massnahmen im Eigenbereich» eine Streichung von 110 Millionen Franken befohlen. Sie kamen nach der generellen Querschnittskürzung von 1,4% (2025, im Vorjahr 2%) noch obendrauf und müssen hauptsächlich beim Personal erzielt werden. Bundesrat und Verwaltung haben alle diese Vorgaben umgesetzt. Das führt allerdings nicht zu einer Stimmung «es ist jetzt genug», im Gegenteil. Es klappt ja, also schraubt man diese Entwicklungen noch mehr auf die Spitze.
Konkret und für 2026 heisst das: Das Parlament kürzt die Gelder für Entwicklungshilfe sowie die Beiträge an internationale Organisationen gleich nochmals um total 25.9 Millionen. Es redet schlecht über das Bundespersonal, streicht diverse Globalbudgets zusammen (was Stellenabbau bedeutet) und kürzt den Teuerungs-«ausgleich» auf schäbige 0,1 Prozent hinunter. Die beiden Kammern überschiessen sich mit Anträgen zur nochmaligen Erhöhung der Armeeausgaben, die bereits der Bundesrat steil ansteigen liess: Nun kommen nochmals 70 Millionen obendrauf. Vor diesem Hintergrund müssen wir die emotionalen Debatten einordnen, welche zu aufgeregten Medienberichten führen: Der bereits im Fahrplan vorgesehene und nun gestrichene Nachtzug nach Hamburg-Kopenhagen-Malmö (minus 10 Mio.), die Kampagne gegen häusliche Gewalt (zwei Kredite, zusammen plus 2,5 Mio.), die Rettung von Tox Info Suisse (plus 1,1 Mio), die Massnahmen zur Strukturverbesserung im Weinbau (plus 10 Mio.) und für den weiteren Herdenschutz vor dem Wolf (plus 3,6 Mio).
Ebenfalls zu den grossen Linien dieses Budgets gehört, dass es eine «Verwendung» für den unerwarteten Geldsegen aus Genf brauchte. Von dort kommen ja schätzungsweise 290 Millionen unerwartete zusätzliche Steuereinnahmen. Sie stammen vor allem von den gigantischen Gewinnen der Rohstoffhandelsfirmen und Reedereien, die in Genf im Binnenland Schweiz ihren Hafen haben. Damit es im Bundesbudget nicht nach einem zu grossen Überschuss aussieht, wurde von der FDP erfolgreich vorgeschlagen, man solle doch eine Einlage in den Fonds der Arbeitslosenversicherung tätigen. Spannend daran: Die Partei von Finanzministerin Karin Keller-Sutter ist nun für «Balance»-Überlegungen empfänglich! Einnahmen und Ausgaben auf die Dauer im Gleichgewicht, wie es in der Bundesverfassung steht, und nicht weiteren Schuldenabbau in einem Land mit extrem tiefer Schuldenquote.
Gesundheit der Schafe wichtiger als Gesundheit der Menschen
Einmal mehr zeigte sich in dieser Budgetdebatte: Wenn es um die Gesundheit der Schafe geht, lassen sich schnell und ohne grosse Gegenwehr etliche Millionen finden. Wenn es um die Gesundheit der Menschen geht, dann hat der Bund mit Verweis auf die klammen Finanzen kein Geld.
Auch wir haben unterstützt, dass für Impfungen gegen die Blauzungenkrankheit, die hauptsächlich bei Schafen auftritt, zusätzliche 10 Millionen eingestellt werden. Wir sind jedoch aufgelaufen mit – in der Summe vergleichsweise bescheidenen – Erhöhungen zu Gunsten von Palliative Care (ein vom Parlament überwiesener Vorstoss wäre umsetzungsbereit), von Strahlenschutz, von Massnahmen gegen sexuell übertragbare Krankheiten. Wir sind genauso gescheitert mit Anträgen, dass die Mittel für Altlastensanierungen und Wassernutzung erhöht werden, die der Bund im Rahmen der Programmvereinbarungen Umwelt spricht: Seit die Omnipräsenz der PFAS bekannt ist, zeigt sich, dass Kantone und Gemeinden viel Geld für Sanierungen von Trinkwasserfassungen oder von Altlasten aufbringen müssen (Beispiel: Die „Stadtmist“-Sanierung von Solothurn).
Persönlich habe ich mich dafür eingesetzt, dass die «Schweizer Gesundheitsstudie» (sie würde 10 Mio. benötigen) nicht abgebrochen wird: vergebens. Die Pilotphase für diese Studie ist erfolgreich abgeschlossen worden; die Erhebungsinstrumente sind entwickelt und getestet. Geplant war, während 20 Jahren bei denselben Personen zu messen und zu beobachten, ob und in welchem Ausmass sich Chemikalien (Pestizide, PFAS) und Schwermetalle in unseren Körpern einlagern und wie sich das auf die Wahrscheinlichkeit einer ausbrechenden Krankheit auswirkt. Bisher fehlen uns solche Daten vollständig. Leider hat der Bundesrat selbst (mit Verweis auf die Budgetsituation insgesamt) den Abbruch dieser Studie beantragt. Wir konnten das Heft nicht mehr drehen.
Das Abbaupaket wirft seine Schatten voraus
Am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche hat der Ständerat in einer Monsterdebatte bereits seine Entscheidungen zum «Entlastungspaket 27» getroffen. Ein paar der 57 Massnahmen will er streichen, darunter die einzige, die zu namhaften Mehreinnahmen führen würde: Die leicht höhere Besteuerung der Entnahmen aus der 3. Säule. Ein paar weitere will er kürzen. Ab Januar 2026 werden wir das Paket in der Finanzkommission des Nationalrats behandeln. Ich habe einen Antrag auf Nichteintreten angemeldet, denn das ganze Paket ist nicht notwendig, wenn wir die Steigerung der Rüstungsausgaben zurücknehmen oder aber über Einnahmen finanzieren.
Die betragsmässig zweitgrösste Massnahme fliegt völlig unter dem Radar: «Massnahmen im Eigenbereich»: 200 Mio. Franken Kürzung im Jahr 2027, 300 Mio. Franken ab dem Jahr 2028. Vergeblich habe ich versucht, dass jemand im Ständerat zumindest eine Abstimmung darüber erwirkt. Wie oben erwähnt, hat die Aussicht auf diese Massnahme (von der wir seit über einem Jahr wissen) bereits beim Beschluss zum letzten Budget dazu geführt, schon mal im 2025 110 Millionen wegzustreichen: 60 Millionen beim Bundespersonal, 30 Mio. bei der Informatik und 20 Mio. bei der Ressortforschung. Nur GRÜNE und SP hatten sich dagegen gewehrt, und ich war so ziemlich der Einzige, der versuchte, eine Vorstellung dieser Einschnitte zu zeichnen.
Die Bundesverwaltung musste das dann «irgendwie» umsetzen. Ausser dem VBS mussten alle Departemente einen Teil beitragen. Ja nach Amt fiel dieser Beitrag dann allerdings sehr unterschiedlich aus. «Ressortforschung» kennen vor allem fünf Ämter: Die Bundesämter für Gesundheit, für Umwelt, für Statistik, das Gleichstellungsbüro sowie das Bundesamt für Landwirtschaft via die Forschungsstelle Agroscope. Letztere ist allerdings eine bundeseigene Einrichtung, da wehrte man sich gegen die Halbierung des Forschungspersonals: Erfolgreich, mit einem Nachtragskredit. Die übrigen vier Ämter konnten dies nicht, denn ihre Ressortforschung betrifft Aufträge an Dritte.
Das Bundesamt für Gesundheit gehörte auch zu jenen, die viel zur Personalreduktion beitragen mussten. Es sah die einzige Möglichkeit darin, ganze Aufgabenbereiche einzustellen und 18 Personen zu kündigen (wenn sie nicht von sich aus gingen): Seit Frühjahr 2025 sind die Programme «Gesundheitliche Chancengleichheit» sowie «Prävention in der Gesundheitsversorgung» gestoppt. Ausgerechnet! Aus meiner Berufserfahrung weiss ich, wie entscheidend beides mit dem Ziel einer umfassenden Gesundheit der Bevölkerung wäre, besonders der ökonomisch schwächeren Gruppen.
Fazit: «Massnahmen im Eigenbereich» bedeutet Verschlechterung der Gesundheit und Vergrösserung der sozialen Unterschiede. 2025 bekamen wir mit 110 Millionen Kürzungen erst einen Vorgeschmack. Bis in zwei Jahren sollen es Streichungen von 300 Millionen sein. Wo bleibt der Aufschrei?