Trete ich Frauenrechte mit Füssen, wenn ich die Burka-Initiative ablehne? Nein! Toleriere ich, dass unter dem Deckmantel der Religion rückständige Männer ihre Frauen unterdrücken dürfen, wenn ich die Burka-Initiative ablehne? Nein! Befürworte ich das Tragen von Vollverschleierung? Nein!

Die Initiative für ein Verhüllungsverbot (Burka-Initiative) kommt am 7. März 2021 zur Abstimmung. Sie muss abgelehnt werden, klar und deutlich. Gerade dann, wenn ich dieses entwürdigende Kleidungsstück zutiefst «daneben» finde, muss ich Nein stimmen. Warum? Die Burka-Initiative schützt keine einzige Frau. Sie bewirkt keine einzige Einsicht bei einem Mann, dessen Moralvorstellungen und Machtansprüche von vorgestern sind. Sie schliesst auch keine Lücke in der Rechtsprechung, denn schon heute muss im Kontakt mit den Behörden das Gesicht gezeigt werden. Schon heute wird Nötigung mit Busse oder Haft bestraft, und es handelt sich ohne Zweifel um Nötigung, wenn eine Frau von ihrem Mann, Vater oder einem anderen Verwandten gegen ihren Willen zum Tragen einer Verhüllung gezwungen wird.

Wir müssen erkennen und entlarven: Es geht bei dieser Initiative gar nicht um Verschleierung. Es geht schon gar nicht um den Kampf für Frauenrechte (angeführt von jenen, die Gleichstellungsfragen regelmässig bekämpfen). Nein, es geht um Islamphobie. Es geht um die diffuse Angst, dass eine Religion in der Schweiz einen höheren Anteil Menschen überzeugen könne. Religionsfreiheit macht Angst. Sie macht offenbar vor allem jenen Angst, die das Gefühl haben, ihre eigene, christliche Religion würde in unserer säkularisierten Welt an Bedeutung verlieren. Und natürlich geht es um Fremdenhass, denn das Bild, das gezeichnet wird, ist jenes von Immigranten aus «unerwünschten» Weltgegenden. Dies obwohl es in der Schweiz vor allem zwei kleine Kreise gibt, die in der Öffentlichkeit Burka oder Niqab tragen: Erstens eine Handvoll Schweizerinnen, die zu einer orthodoxen Form des Islam konvertiert sind; und zweitens ein paar Handvoll Touristinnen, die mit ihren Verwandten insbesondere an Nobelorten absteigen.

Wir müssen erkennen: Es ist kein Zufall, dass die Burka das Vehikel dieser Initiative ist. Ich stelle mir einen Verfassungsartikel vor, welcher dasselbe für den Haarkranz und den Hut ultra-orthodoxer Juden verlangen würde. Undenkbar? Ja, und typisch: Vorschriften zu Aussehen und Kleindung betreffen immer Frauen. Und sie werden immer von Männern erhoben. Islamphobie paart sich mit Frauenunterdrückung.

Ja, aber! Wenn es doch stimmt, dass sich die (wenigen) Frauen unter einer Vollverschleierung in aller Regel nicht selbst für dieses «Kleidungsstück» entscheiden, sondern dazu gezwungen werden: Da muss man doch etwas dagegen tun! Genau. Das Letzte jedoch, was wir in dieser Situation tun sollen, ist eine Kleidervorschrift in die Bundesverfassung schreiben. Damit treiben wir jene, welche «unsere» Vorstellungen des gelingenden Lebens nicht a priori teilen, in die Abschottung. Ein Burkaverbot trägt geradezu zur Radikalisierung und zur Bildung von Parallelgesellschaften bei!

Wir Stimmberechtigten sind vielleicht gläubig, vielleicht stehen wir zu Religionen und Kirchen auf Distanz. Einerlei: Wenn wir ernsthaft dazu beitragen wollen, dass jemand den Weg aus einem rigiden Weltbild, aus Unterdrückung und Entwürdigung herausfindet, dann müssen wir auf ganz andere Mittel setzen: Auf Dialog, Gesprächsangebote, Hinhören, Mut machen, Solidarität signalisieren, Kooperation mit aufgeschlossenen Vertreterinnen und Vertretern des Islam (die gibt es in grosser Zahl) und Bildung, Bildung, Bildung.