Die zurückliegende Session hat wieder einmal gezeigt, dass es sehr oft sehr unterschiedliche Werthaltungen sind, welche uns leiten. Es gipfelte darin, dass die Klimafonds-Initiative von der Mehrheit der Grünliberalen abgelehnt wurde – notabene, obwohl mit Barbara Schaffner (ZH) eine ihrer Nationalrätinnen im Initiativkomitee sitzt. Ihr Fraktionssprecher verwendete markige Worte, warum die Initiative ein Irrweg sei; Zwischentöne waren kaum zu hören. Interessanterweise wären wir uns einig, dass wir Lenkungsinstrumente befürworten, damit die Reduktion der Treibhausgase rascher vorwärts geht. Solche wären jedoch nicht im Widerspruch zur Initiative, im Gegenteil: Der Klimafonds könnte auch aus solchen Quellen gespiesen werden. Aber das wollten die Gegner nicht sehen.

Das «Grün» in den beiden Parteibezeichnungen scheint darauf hinzudeuten, dass wir uns in ökologischen Fragen einig seien. Aber selbst das ist nicht immer gegeben, vor allem dann, wenn Umweltfragen und Finanzfragen in Kombination vorliegen. Die Umweltallianz wertet jeweils am Ende der Legislatur das Abstimmungsverhalten aus. GRÜN erreicht jeweils 99-100 Prozent ihrer Empfehlungen, die SP ist praktisch gleichauf, und nicht weit dahinter ist die EVP. Mit etwas Abstand folgt die GLP auf Rang vier.

Trennende Welten

Beim Thema Arbeitsrecht und Arbeitsschutz liegen die beiden Parteien oft weit auseinander. Mit der Parlamentarischen Initiative Pa.Iv. 18.455 wollte Jürg Grossen, Präsident der GLP, erreichen, dass Angestellte in Unternehmen einfacher als Selbständige klassifiziert werden können. Wir haben geholfen, dass die Vorlage abgewiesen wurde. Katharina Prelicz-Huber erklärte die Haltung der GRÜNEN so: «Das Problem ist heute nicht, die Selbstständigkeit möglich zu machen. Das Problem ist, und es nimmt gar zu, der faktische Zwang für Arbeitnehmende, sich als selbstständig zu bezeichnen, damit sich die Arbeitgebenden der Verantwortung entziehen können.»

Eine Motion aus der Mitte verlangte, Rechtslücken in der Unfallversicherung zu schliessen, damit Versicherte auch bei Rückfällen oder Spätfolgen von Unfällen gedeckt sind. Die GRÜNEN stimmten zu mit der Argumentation, dass der limitierten Zahl der Betroffenen damit viel geholfen sei, ohne das Versicherungssystem zu gefährden. Das Geschäft wurde angenommen, trotz Ablehnung der GLP.

Ein weniger erfreuliches Beispiel ist die Ablehnung einer Parlamentarischen Initiative, die den besseren Schutz vor Spielsucht zum Ziel hatte, indem Umsatzbeteiligungen, z.B. von Kiosken an Glücksspielen, nicht mehr möglich sein sollten. Der Vorstoss wurde abgelehnt, auch mit den Stimmen der GLP.

Auch bei Steuervorlagen kommen wir oft zu gegenteiligen Schlüssen. Ein Kommissionsvorstoss der WAK-N verlangte, dass Unternehmensverluste statt sieben neu bis zu zehn Jahre lang von den Steuern abgezogen werden dürften. Aus Sicht der GRÜNEN handelt es sich dabei um Steuergeschenke für Grosskonzerne, die zu untragbaren Verlusten im Staatshaushalt führen. Die GLP gehörte zu den Befüworter:innen und die die Vorlage wurde von der bürgerlichen Mehrheit angenommen.

Ebenfalls von der FDP stammte die Forderung, die Wettbewerbskommission WEKO neu zu strukturieren: Sie soll weniger hart eingreifen. Sophie Michaud Gigon argumentierte für die GRÜNEN, es sei nicht an der Zeit, die WEKO zu schwächen. Dies habe auch eine Expertenkommission so festgehalten. Leider verhalf auch hier die GLP der Motion zum Durchbruch in beiden Räten.

Nicht immer trennend

Es gibt zum Glück auch unbestrittene Gemeinsamkeiten, vor allem in gesellschaftsliberalen Fragen. Gemeinsam haben wir der Individualbesteuerung zum Durchbruch verholfen, gemeinsam setzen wir uns für vielfältige Haushalts- und Familienformen ein, ebenso für bessere Bedingungen zur Vereinbarung von Mutter-/Vateraufgaben und Erwerbsarbeit. Im Kampf gegen die Schwächung des Zivildienstes und die Aushöhlung der kantonalen Mindestlohnregelungen kämpften wir Seite an Seite mit den Grünliberalen – und verloren gemeinsam.

Seit bald 20 Jahren sind die Grünliberalen – als schweizerische Besonderheit – im nationalen Parlament vertreten. Ab und zu schaffen sie es, auch Bürgerlichen Umweltschutz schmackhaft zu machen.

Was steckt dahinter?

Aus meiner Sicht lassen sich in den grundlegenden Werthaltungen zwei hauptsächliche Unterschiede ausmachen: Erstens sind für uns GRÜNE die 17 Ziele der Nachhaltigen Entwicklung, welche die UNO weltweit deklariert, eine ständige Richtschnur. Sie umfassen nebst der ökologischen Sorgsamkeit auch zahlreiche Ziele zum gesellschaftlichen Ausgleich und zur Erhöhung von Chancengleichheit, was in der Regel staatliches Eingreifen bedingt.

Zweitens haben wir unterschiedliche Vorstellungen, wie gesellschaftlicher Wandel gelingen wird. Wir GRÜNE stellen uns die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass die Menschheit ihre eigenen Lebensgrundlagen aktiv und wider besseres Wissen ruiniert. Für uns ist klar, dass eine gesellschaftliche und ökonomische Ordnung, die dies zuliess und weiterhin zulässt, nicht geeignet ist, die Zukunft positiv zu gestalten. Der Ruf des Klimastreiks bringt es trefflich auf den Punkt: «System change, not climate change!». Diesen Wandel wollen wir mit demokratischen Mitteln erreichen. Demgegenüber wollen die Grünliberalen die Zerstörung der Natur und die Klimakrise mit den vertrauten marktwirtschaftlichen Instrumenten abwenden, ohne an den bisherigen gesellschaftlichen Mechanismen etwas zu ändern. Das ist nun vielleicht etwas plakativ gezeichnet, aber entlang dieser Trennlinien kommen die beiden Parteien oft zu unterschiedlichen Antworten.