
Klimafonds: Der Nationalrat ist nicht auf Kurs
Die Mehrheit des Nationalrats ist nicht bereit, die ausreichende Finanzierung der Klimapolitik an die Hand zu nehmen: Sie lehnt die Klimafonds-Initiative mit 120 zu 64 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab. Ebenso wenig war man bereit, über einen guten Gegenvorschlag nachzudenken.
Mein Eindruck aus der Ratsdebatte ist, dass viele den Hauptzweck dieser Initiative nicht erkennen oder nicht erkennen wollen: Es handelt sich in erster Linie um eine finanzpolitische Vorlage. Das Entscheidende ist der Begriff «Fonds». Ein Fonds dünkt mich das geeignete finanzpolitische Instrument zur Realisierung der grossen Investitionen, welche die Schweiz tätigen muss, um ihre bereits beschlossenen Klimaziele zu erreichen: Ersatz der fossilen Energien (Netto Null) sowie Bewältigung der Folgen der unabwendbaren Klimaerhitzung. Ohne Zusatzmittel werden wir die Ziele verfehlen.
Handlungsbedarf, Umfang, finanzpolitisches Instrument
Dabei ist der Handlungsbedarf gross: Zur Zeit betragen die Klimaschadenskosten, welche der Schweizer Konsum verursacht, über 40 Milliarden Franken pro Jahr. Diese Zahl leitet sich aus dem Ansatz von 430 Franken pro Tonne CO2 ab, den das Bundesamt für Raumentwicklung ARE als Mindestschädigung errechnet hat. Ein bedeutender Teil dieser Kosten fallen nicht in unserem Land an, sondern in den Produktionsländern von importierten Produkten. Erst recht müssen wir handeln und genügend Mittel aufbringen, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Das rechnet sich auch volkswirtschaftlich, wenn wir 0,5 bis 1 Prozent BIP jährlich in den Fonds einzahlen, das bedeutet 4-8 Milliarden Franken pro Jahr.
Der Finanzbedarf betrifft nicht nur die Massnahmen zur Abkehr von den Treibhausgasen. Die Klimaerhitzung ist eine Tatsache, und unser Land muss auch in die Bewältigung ihrer Folgen investieren, zum Beispiel für die Gefahrenabwehr nach Naturkatastrophen. Der Initiativtext spricht zu Recht von der «menschengemachte Klimaerwärmung und ihre gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Folgen».
Warum ist ein Fonds das richtige Instrument? Weil es sich in erster Linie um Geldbedarf für Investitionen handelt: teilweise um aufwändige Investitionen. Sie zu realisieren erstreckt sich oft über mehrere Jahre. Darum stösst die übliche Steuerung über Jahresbudgets und Jahresrechnungen an Grenzen. Die Regelmässigkeit und strategische Planbarkeit erreichen wir mit den Einlagen in den Fonds. Darüber wird das Parlament Jahr für Jahr im Rahmen des Voranschlags entscheiden können, und das ist richtig so. Wir kennen es aus den beiden bestehenden grossen Infrastrukturfonds: Dem BIF (Bahninfrastrukturfonds) und dem NAF (Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds). Seit die Schweiz diese Instrumente hat, ist die mittelfristige Planung und Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen viel klarer und stetiger. Das schaffen wir auch mit den Klimamassnahmen, wenn wir wollen.
Bisherige Mittel reichen nicht
In den letzten Jahren haben das Parlament und das Volk die Klimaziele der Schweiz beschlossen. Wir haben Gesetze aktualisiert, etwa das CO2-Gesetz. Weitere sind noch in Bearbeitung, ich erinnere an das Energiegesetz und an das Stromversorgungsgesetz.
Regelmässig werden die Klimaziele bekräftigt, regelmässig wird auch betont, dass man mit Anreiz- und Lenkungsmassnahmen vorwärts kommen wolle. Und damit sind wir bei der Speisung des Klimafonds. Es müssen nicht nur allgemeine Steuermittel sein, im Gegenteil. Treibhausgase sollten bepreist werden, und zwar genügend hoch, in der Höhe ihrer Klimaschadenskosten. Davon sind wir immer noch weit entfernt: Auf Treibstoffen haben wir, im Unterschied zu den Brennstoffen, immer noch keine CO2-Abgabe. Landwirtschaftsfahrzeuge sind sogar von der Mineralölsteuer befreit. Und das Kerosin für den steil wachsenden Flugverkehr auch.
Insgesamt sind die Mittel von rund 2 Milliarden, die wir aktuell jährlich bereitstellen, zu tief. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die Umsetzung der bisher revidierten Gesetze lückenhaft und zu wenig ambitioniert ist. Gewisse sinnvolle Instrumente wurden gar nicht eingeführt (Stichwort Ladestationen) oder werden im Rahmen von Sparprogrammen trotz Volksentscheid gleich wieder in Frage gestellt: siehe Bundesanteile des Gebäudeprogramms, internationale Nachtzüge, Elektrifizierung von Bussflotten. Der von der Initiative verlangte Rahmen von 0.5 bis 1 Prozent BIP oder eben 4-8 Milliarden pro Jahr ist alles andere als extrem. Wenn bis spätestens 2050 das Netto-Null-Ziel erreicht ist – und damit die 40 Milliarden-Jahresschädigung der Vergangenheit angehören wird – dann lohnen sich diese Investitionen mehrfach.
Zur Kritik am Initiativtext
Die Initiative verlangt in den Übergangsbestimmungen, dass die Fonds-Einlagen nicht den Regeln über die Schuldenbremse unterliegen sollen. Wörtlich: «Dieser Betrag wird im Höchstbetrag der im Voranschlag zu bewilligenden Gesamtausgaben gemäss Artikel 126 Absatz 2 nicht mitgerechnet.» Ist das ein Killerargument?
Meine Antwort heisst: Diese Ausnahme ist sehr berechtigt, wenn wir den Gesamtzusammenhang betrachten. Wenn Mittel aus dem Klimafonds zum Einsatz kommen, dann dienen sie Investitionen, von denen wir über Jahre oder Jahrzehnte profitieren. Sie verhindern ein Mehrfaches an Folgekosten! Das ist auch ein Unterschied zu den Verkehrsinfrastrukturfonds: Dort bewirkt der sinnvolle und erwünschte Ausbau auch zusätzliche laufende Kosten. Ausserdem ist der Klimafonds begrenzt: Wenn wir die nationalen und internationalen Klimaziele erreicht haben, können wir die Einlagen reduzieren, auch das steht in den Übergangsbestimmungen. Beides zusammen rechtfertigt die Ausnahme von der Schuldenbremseregel, denn zurück bleibt keine Schuld, sondern ein vielfacher Gewinn: für die Umwelt, die Biodiversität, die Gesundheit, die Lebensqualität.