von Felix Wettstein, Nationalrat

Vor zwei Wochen, kurz vor Beginn meiner ersten Session im Nationalrat, umfasste die Liste der Lobby-Kontakte 130 Zeilen. Und während der Session hat der Zustrom nicht abgenommen, im Gegenteil: Pro Werktag erhalte ich zehn bis fünfzehn weitere Briefe, Mails oder Päckli mit neuen Gratulationen, kleinen Geschenken, Einladungen zu allerhand Veranstaltungen sowie mit Empfehlungen, bei welchem nationalrätlichen Geschäft ich wie abstimmen soll. Die Gesamtliste umfasst nun bereits 229 Kontakte von Firmen oder Organisationen, die mich vor meiner Wahl noch nicht kannten.

Es war ein schöner Zufall, dass am 2. Dezember das Thema «mehr Transparenz zum Lobbying im Bundeshaus» gleich das erste inhaltliche Traktandum der neuen Legislatur war. Und es ist gut herausgekommen! Die vorberatende Kommission wollte nicht auf den Vorstoss eingehen, aber der neu zusammengesetzte und jüngere, weiblichere, unabhängigere Rat ist mit komfortablen Mehr eingetreten. Die Debatte hatte auch zur Folge, dass viele Medienschaffende auf meine Lobby-Kontaktliste gestossen sind und darüber berichtet haben. Die Sendung 10vor10 des Schweizer Fernsehens vom 4. Dezember brachte einen Hauptbeitrag zu den Lobby-Aktivitäten im Bundeshaus: Meine Sammlung und zweite Zwischenbilanz bildete dafür den Aufhänger.

Nicht wenige Unternehmen oder Verbände haben mich inzwischen mehrmals kontaktiert, zum Beispiel zuerst mit einer Vorankündigung, dann mit einer Apéroeinladung, und schliesslich mit einem «Faktenblatt» zu einem der anstehenden Geschäfte – natürlich samt Empfehlung, das Richtige zu tun. Bereits dreimal angeklopft haben COOP, die Swisscom, der Branchenverband Interpharma, die Bankiervereinigung SwissBanking und der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Sogar viermal meldeten sich die SwissMEM (Verband der Maschinen-, Elektro-, Metallindustriebranche), der Schweizerische Versicherungsverband sowie Gastro Suisse. Letzterer schickte mir sogar ein «Frässpäckli» mit Nudeln, Gerstensuppe, Gewürzmischung. Das bisher tollkühnste Geschenk kam jedoch von der Firma ISA aus Amriswil TG: Sie schickte mir und meinen Ratskollegen für das benötigte Sitzleder die passende «Panty» (auch bekannt als Herrenunterhose).

Was ist als Lobbying einzustufen, was nicht? Die Grenzziehung ist sicher nicht immer einfach. Weihnachtskärtchen, die aktuell eintreffen, zähle ich nicht mit; auch nicht Probenummern von Zeitschriften, die ich abonnieren soll. Ein Spezialfall sind die Parlamentarischen Gruppen, von denen es nicht weniger als 157 gibt (Stand Sept. 2019; die Gesamtliste ist hier: https://www.parlament.ch/centers/documents/de/parlamentarische-gruppen.pdf). Vordergründig finden hier Ratsmitglieder mit gleichen Hobbys und Interessen zusammen. Faktisch sind es meistens Instrumente des Lobbyings. Darum habe ich jene Parlamentarischen Gruppen, die mich schriftlich eingeladen haben, ebenfalls in meiner Liste verzeichnet. Fortsetzung der Transparenz-Geschichte folgt…

Die vollständige Zusammenstellung der Organisationen/Firmen, Branchen, Form der Kontaktaufnahme und Inhalt der Zusendung ist per 13.12.2019 nachgeführt auf meiner Webseite unter https://felix-wettstein.ch/transparenz-in-der-politik.