
Drei Schlussfolgerungen aus dem Rechnungsabschluss 24
Immer in der Sommersession gehört es zu den Aufgaben der Räte, die Staatsrechnung des vergangenen Jahres zu genehmigen. In der Regel ist das kein grosser Aufreger, auch dieses Jahr nicht. Motto: Was vorbei ist, ist vorbei. Den meisten Medien war die Jahresrechnung keine Silbe wert. Dabei gibt es schon ein paar Auffälligkeiten: Der Bund war in das Jahr 2024 mit der Erwartung gestartet, dass er ein Defizit von 2,6 Milliarden einfahren wird. Dann kamen noch Nachtragskredite dazu, die den Fehlbetrag netto nochmals um rund eine halbe Milliarde erhöht hätten. Doch am Schluss des Jahres war es ein Defizit von bloss 80 Millionen, dies bei einem Umsatz von 84 Milliarden Franken.
Wir GRÜNEN erinnerten daran, dass die Räte bei der Verabschiedung des Budgets riesige Krämpfe durchstehen mussten, damit man die Schuldenbremse einhalten konnte. Und nun also dieses Resultat. In meinem Votum im Namen der Fraktion zog ich daraus drei Schlussfolgerungen: Erstens die Regeln der Schuldenbremse anpassen, zweitens für den Abbau der Coronaschulden auf das Ausgleichskonto zurückgreifen, drittens die Sparübung mit dem 3.5 Milliarden-«Entlastungs»-Paket abblasen.
Erste Schlussfolgerung: Schuldenbremse reformieren
Die Regeln der Schuldenbremse dürfen, ja müssen angepasst werden, damit wir Einnahmen und Ausgaben mittelfristig im Lot halten, wie es die Bundesverfassung vorgibt. Aktuell verringern wir ohne Not den sowieso schon sehr tiefen Schuldenstand laufend weiter. Es kann nicht genügend betont werden: Ein Schuldenstand von Null ist nicht erstrebenswert! Wir erkaufen ihn mit dem Verzicht auf notwendige Investitionen in die Zukunft, etwa mit einer verzögerten Erneuerung der Infrastruktur, mit Streichungen im Bereich Bildung und Forschung, mit zu geringen Anstrengungen zur Erreichung des Netto-Null-Ziels und der Anpassung an die Klimaerhitzung. Wer auf einen Schuldenstand Null oder sogar Minus hinarbeitet, tut dies zu Lasten künftiger Generationen! Dieser werden später entweder Mehraufwand oder Verlust an Lebensqualität haben.
Die Schuldenbremse reformieren heisst nicht, sie in Frage zu stellen. Es heisst insbesondere, dass wir aufgrund von über 20-jähriger Erfahrung mit Kreditresten rechnen und solche antizipieren dürfen. Unser Vorschlag dazu heisst: Wir berechnen den Durchschnitt der Kreditreste aus den letzten fünf abgeschlossenen Rechnungsjahren, halbieren diese Zahl, und dieser Wert ist im Moment der Budgetierung eines neuen Jahres zusätzlich verfügbar. Mit der Halbierung sind wir immer noch vorsichtig unterwegs.
Zweite Schlussfolgerung: Das Ausgleichskonto nutzen
Wir sollten darauf zurückkommen, wie wir mit dem Abbau der Coronaschulden umgehen. Vor drei Jahren hatte die Parlamentsmehrheit auf Anregung des damaligen Finanzministers beschlossen, die gesamte Schuld von 27 Milliarden mit Kreditresten und allfälligen Nationalbank-Ausschüttungen bis 2035 abtragen – dies trotz prall gefülltem Ausgleichskonto. Sie tat es entgegen dem Rat von diversen namhaften Ökonomen, auf die der Bundesrat sonst gerne hört. Bis vorletztes Jahr konnten wir bekanntlich mit dem Abbau noch nicht beginnen, weil wir weder ein positives Jahresergebnis noch Nationalbankausschüttungen hatten. Jetzt können wir zwar erstmals das Amortisationskonto wieder etwas entlasten, um etwas mehr als 400 Millionen, gleichzeitig werden die wachsenden Rüstungsausgaben, welche die bürgerliche Ratsmehrheit unbedingt beschliessen will, keine Überschussplanung zulassen. Wir GRÜNE sind darum der Meinung, dass der Bundesrat auf den Beschluss zum Corona-Schuldenabbau zurückkommen müsste und dem Parlament eine Korrektur vorschlagen sollte, im Sinne der damals diskutierten Moitié-Moitié-Lösung: Die Hälfte wird mit dem Ausgleichskonto beglichen, das ja genau für solche Fälle existiert. Die andere Hälfte aus künftigen Überschüssen, die wir zwar kaum je planen, aber faktisch immer mal wieder erreichen werden.
Dritte Schlussfolgerung: Verzicht auf das Entlastungspaket 2027
Die Vernehmlassung zum Entlastungspaket 2027 ist abgeschlossen und wird aktuell ausgewertet. Es zeigt sich immer mehr, dass das Paket von allen Seiten bestritten wird. Selbst die FDP-Parteileitung droht mit einen Referendum, ironischerweise wegen der einzigen Massnahme, die einen gewissen Mehrertrag verspricht. Insbesondere stemmen sich jedoch alle Kantone gegen das Paket, mit vereinten Kräften auch der ganze Bildungs- und Forschungsbereich, die Umweltorganisationen, die Entwicklungsorganisationen, die Berggebiete, die Städte und viele mehr. Unser Rat an den Bundesrat: Übung abbrechen! Das Entlastungspaket 2027 hat nicht den Hauch einer Chance. Wenn wir es jetzt stoppen, kann der Bund gleichzeitig bei den Kantonen und bei der Konferenz der Kantonsregierungen punkten: Dann ist der Weg frei für das viel wichtigere Projekt Entflechtung 27, also die neue Etappe des Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen. Aktuell sind die Kantone ja vor den Kopf gestossen angesichts der Massnahmen, mit welchen sich der Bund entlasten will, den Aufwand aber an die Kantone und Gemeinden weiterreicht. Ohne das Damoklesschwert des Entlastungspakets können Kantone und Bund auf Augenhöhe und sehr bald mit dem spannenden und wichtigen Projekt der künftigen Aufgabenteilung samt Finanzierungsentflechtung beginnen. Wir GRÜNE freuen uns auf dieses staatspolitisch hoch relevante Projekt, das im besten Sinn des Wortes zukunftsweisend ist.