Drei Tage lang beschäftigte uns im Nationalrat das Thema der künftigen Stromproduktion. Kein Wunder, denn wir müssen die erneuerbaren Stromquellen massiv ausbauen. Oft wurde die Frage «Schutz oder Nutzen?» gestellt. Meine Antwort heisst: Schutz UND Nutzen. Es müsste kein Entweder-Oder sein! Wir erlebten in der Debatte manche Gratwanderung. Teilweise will sich eine knappe Mehrheit über den Natur- und Landschaftsschutz hinwegsetzen. Widersprüchlich wird es dann, wenn dieselben Ratsmitglieder sofort auf die Bremse stehen, sobald Besitzende in Pflicht genommen werden sollen. Der Eindruck entsteht: So viel wie möglich zubauen, wo sich die Natur nicht wehren kann, aber im bereits überbauten Gebiet darf es möglichst keine Verpflichtungen geben. Zum Glück hat sich diese Haltung nicht immer durchgesetzt. Der Ständerat muss im nächsten Schritt allerdings beim Restwasser, beim Landschaftsschutz und bei bestehenden Gebäuden nachbessern.

Strom macht bisher rund 25 Prozent unserer Energie aus. Wir wissen es alle: Den Ausstieg aus den fossilen Energien und aus dem Atomstrom schaffen wir nur mit massivem Ausbau von Strom aus erneuerbaren Quellen – und mit mehr Effizienz. Die Debatte hat gezeigt, dass das Stromdossier in der nationalen Politik sehr viel Energie braucht. Es sind gleich fünf Bundesgesetze betroffen, darum ist die Rede vom «Mantelerlass Strom». Wir hatten über sage und schreibe 80 Minderheits- und Einzelanträge zu entscheiden!

Die Zeit drängt, der Rat feilscht

Der Bundesrat hatte ein Gesamtpaket vorgelegt, das einen ehrgeizigen Ausbau vor allem mit Solarenergie vorschlägt, gute Ziele für das Energiegesetz vorgibt, präzise Vorgaben für den Ausbau der Wassernutzung macht sowie die Stausee-Unternehmen zu einer Wasserreserve für Notzeiten im Winter verpflichtet. Nach der Erstberatung im Ständerat hat das Paket schon an vielen Stellen den schweizerischen Kompromissgeist geatmet. Im Nationalrat ging es dann in beide Richtungen: Einige Verbesserungen für weiteren Solarausbau, manchmal konnten wir Verschlechterungen abwehren, aber mehrmals mussten wir sie hinnehmen.

Ein erstes Mal wurde es brenzlig, als eine Mehrheit von nur gerade einer Stimme einwilligte, die Restwassermengen unterhalb der Wasserkraftnutzung zu beschneiden. Da machen weder die Fischerinnen und Fischer noch wir GRÜNEN mit! Unhaltbar ist auch, dass es bei Projekten, die in einer schützenswerten Landschaft gemäss Bundesinventar liegen, nicht zwingend zu Schutz-, Wiederherstellungs- oder Ausgleichsmassnahmen kommen soll. Ein weiteres Mal wurde es knapp, als es um das Thema der rechtlichen Abwägung ging, wenn mehrere nationale Interessen tangiert sind: Hier war das Resultat in unserem Sinne. Positiv auch, dass Parkhäuser und Parkflächen ab einer bestimmten Grösse künftig mit Solaranlagen ausgerüstet werden sollen: Wir konnten den Angriff von rechts gegen diese Bestimmung abwehren. Hingegen fanden unsere Anträge, wie der Bund Energieeffizienz besser fördern könnte, leider keine Mehrheit, genauso wenig jene Anträge, welche Grossverbrauchende zur Nutzung von Abwärme verpflichtet hätten. Und Ferienwohnungen – die Bergkantone lassen grüssen – wurden von der Pflicht ausgenommen, bis 2035 ein zeitgemässes Heizsystem zu installieren.

Was bedeutet «keine Technologieverbote»?

Es war unvermeidlich: Die äussere Ratsrechte versucht alles, um den Atomstrom wieder salonfähig zu machen. Man wolle keine Technologieverbote, heisst der Slogan. Die Schweizer Stimmbevölkerung hat 2017 mit der Zustimmung zur Energiestrategie 2050 den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Damit kann sich vor allem jene Partei, die sich so gerne aufs Volk beruft, immer noch nicht abfinden. Zwar sagen alle Stromkonzerne, dass es völlig undenkbar sei, wieder ins Kernenergiegeschäft einzusteigen, weil es sich niemals rechnet. Schon allein deshalb ist diese Diskussion verschwendete Zeit. Und gerne wird tabuisiert, dass Atomkraftwerke immer ein grosses Risiko sein werden, dass niemand diese Risiken versichert, dass die Atommüllfrage auch nach Jahrzehnten nicht gelöst ist, dass die Auslandabhängigkeit total ist und dass Atomanlagen alles andere als CO2-netral sind. Drei Anträge, die auf unterschiedliche Weise versuchten, die Atomenergie wiederzubeleben, sind sehr deutlich abgelehnt worden. Dieses Schicksal erlitt allerdings auch der Antrag der GRÜNEN, den Ausstieg aus den vier noch laufenden AKW’s planbar zu machen und nach 45 Jahren den Schalter zu drehen.

Was bedeutet die Enthaltung der GRÜNEN?

Die Gesamtabstimmung nach dieser ersten Beratungsrunde endete im Nationalrat mit 104 Ja, 54 Nein und 33 Enthaltungen. Nein sagte einzig die SVP. Die Enthaltungen stammen grossenteils von uns GRÜNEN. Ich weiss, dass es von aussen gesehen nicht einfach ist, diese Enthaltung zu deuten. Selbstverständlich wollen wir GRÜNEN auch – und schon sehr lange – dass der Ausbau der erneuerbaren Stromquellen, allen voran solar, energisch an die Hand genommen wird. Wir sind mit dem Zwischenergebnis nur teilweise zufrieden und wollen mit unserem Stimmverhalten dem Ständerat das Signal geben: Wenn nun die Differenzen bereinigt werden, dann muss die Nutzung in den überbauten Gebieten intensiviert werden. Im Gegenzug dürfen wir den Landschafts- und Gewässerschutz jedoch nicht opfern; es ist auch nicht nötig, ihn zu opfern. Hätten wir dem nationalrätlichen Zwischenergebnis zugestimmt, dann würde es in der weiteren Beratung keinen Anlass geben, unsere Verbesserungsversuche doch noch zu erwägen. «So geht das!» würde Inspektor Malloney sagen…