Kein Geschäft hat länger zu reden gegeben als die Initiative gegen die Massentierhaltung samt dem Vorschlag des Bundesrates, ihr einen direkten Gegenentwurf gegenüberzustellen, oder aber das Anliegen an die Kommission zurückzuweisen mit dem Auftrag, auf Gesetzesebene einen indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten. Gleich 55 Rednerinnen und Redner – mehr als ein Viertel des Rats – hatten sich in die Liste eingeschrieben. Die Argumente waren allerdings nicht so breit gestreut. Die Streitfragen drehten sich vor darum, ob es in der Schweiz überhaupt Massentierhaltung gäbe und ob Initiative und Gegenentwurf auf Opfer einprügeln würden, die dies nicht verdient hätten.

Die Initiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» will in der Bundesverfassung verankern, dass der Bund die Würde des Tieres in der landwirtschaftlichen Tierhaltung schützt. Dazu gehört, dass Nutztiere nicht in Massentierhaltung leben müssen: Keine industrielle Tierhaltung zur möglichst effizienten Gewinnung von Tierprodukten unter Missachtung des Tierwohls. Es soll Kriterien für eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege geben, für maximale Gruppengrössen im selben Stall oder Gehege, für schonende Schlachtung sowie der Zugang ins Freie. Zudem sollen importierte Tiere oder Tierprodukte definierten Mindestanforderungen genügen. Die Übergangsfristen sind mit 25 Jahren sehr grosszügig.

Der Bundesrat wollte in einem direkten Gegenentwurf das grundsätzliche Anliegen der Initiative ebenfalls in die Verfassung schreiben und auch Tiere ausserhalb der Landwirtschaft berücksichtigen, dazu aber die Kriterien sehr offen formulieren. Für diesen Gegenentwurf waren zwar in der Vernehmlassung die Mehrheit der Kantone und die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte, aber im Rat wurde er fast so vehement bekämpft wie die Initiative. Darum hatte mein Fraktionskollege Kilian Baumann, Bauer aus Suberg BE, bereits im Vorfeld die Rückweisung an die Kommission vorgeschlagen, damit sie es mit einer Gesetzesanpassung probiert. Dabei würde der Fokus nebst dem Tierwohl vor allem auf einer standortangepassten, marktkonformen und eigenverantwortlichen Produktion liegen, die auch die ökologische Tragfähigkeit berücksichtigt. Eigentlich ganz so, wie wir uns die einheimische Landwirtschaft vorstellen.

Vor allem die Vertreter*innen des Bauernverbandes fuhren schweres Geschütz auf. Ihre Voten begannen fast immer mit den gleichen Sätzen: Es gibt gar keine Massentierhaltung in der Schweiz; unser Land hat weltweit die strengsten Tierschutzbestimmungen; man wolle die Familienbetriebe ruinieren; die Konsumentinnen und Konsumenten sind schuld, weil sie zu viel zu billige Produkte kaufen würden; die Bauernbetriebe würden ja nur produzieren; was «der Markt» verlange; nach einer solchen Initiative würde nur mehr Billigfleisch importiert.

Was sagt dazu der Faktencheck? Ein paar Beispiele: Es ist heute erlaubt, in einem einzigen Stall bis zu 27’000 Hühner zu halten, die das Tageslicht in ihrem kurzen Mastleben nie sehen. Für ein ausgewachsenes Schwein darf eine Grundfläche von knapp einem Quadratmeter nicht unterschritten werden. Der durchschnittliche Fleischkonsum der Bevölkerung ist seit Jahren rückläufig. Öffentliche Subventionen werden gesprochen, damit Überschüsse besser vermarktet und auch ins Ausland abgesetzt werden können.

Persönlich hat mich die Debatte etwas deprimiert. Der Handlungsbedarf beim Tierwohl ist offensichtlich, aber die Mehrheiten haben sich derart vehement gegen jegliche Reformen gewehrt, dass man schon befürchten muss, in der Landwirtschaftspolitik wird die nächsten 20 Jahre alles im Schlamm steckenbleiben. Es sei denn, die Initiative holt die Mehrheit von Volk und Ständen. Im Nationalrat unterlag sie mit 60 zu 111 Stimmen (19 Enthaltungen). Der Gegenentwurf des Bundesrates brachte es auf 81 Stimmen, aber 107 contra.

Wer die Debatte nachverfolgen will: Hier ist alles in Text und (Video-)Bild. Und hier zum zweiten Behandlungstag.