Kostendämpfung – der Berg hat ein erstes Mäuslein geboren
(12.6.2021) Wenn der Begriff «Kostendämpfung» fällt, dann geht es meistens um die Krankenversicherung. Zur Revision des entsprechenden Gesetzes (KVG) haben die Räte ein «Paket 1a» bereinigt und beschlossen. Was herausgekommen ist, hat wohl nur wenig mit den Kosten zu tun. Muss es das überhaupt?
Die Revision des Krankenversicherungsgesetzes unter dem Titel «Massnahmen zur Kostendämpfung» (19.046) hat schon eine längere Geschichte. Zuerst wurde der bundesrätliche Entwurf schon mal auf Paket 1 und Paket 2 verteilt, in der Hoffnung, die Inhalte des ersten Pakets seien verdaubar. Doch dieses ist dann nochmals umgepackt worden: Im Paket 1a sind nur noch zwei Guetsli: ambulante Pauschaltarife und Pilotprojekte zur Kostendämmung.
Künftig soll es also auf routinemässig vorgenommenen ambulanten Behandlungen, welche im Rahmen der obligatorischen Krankenversicherung abgegolten sind, Pauschaltarife geben. Sie werden auf einer gesamtschweizerischen Tarifstruktur beruhen. Diese wird aber nicht etwa vom Bundesrat definiert, sondern ist das Produkt der Aushandlung unter den «Tarifpartnern». Und der Ständerat hat es geschafft, bereits eine Relativierung ins Gesetz zu bringen: Die Möglichkeit regional geltender Pauschaltarife, «…sofern dies insbesondere regionale Gegebenheiten erfordern». Schon vor dem Abschluss der Beratung im Parlament sind der Kassenverband Santesuisse, der Spitälerverband H+ und die Vereinigung der chirurgisch tätigen Ärztinnen und Ärzte FMCH vorgeprescht und haben eine Tariforganisation gegründet. Sie wollen zeigen, wer den Tarif durchgibt. Das klingt nicht nach Reduktion überteuerter Leistungen.
Das zweite Element der kleinen Gesetzesrevision trägt den Titel «Pilotprojekte zur Eindämmung der Kostenentwicklung». Solche Pilotprojekte können z.B. die integrierte Versorgung, die Einschränkung in der Wahl der Leistungserbringerin oder eine Behandlung im nahen Ausland sein. Aufschlussreich ist die Gegenüberstellung des Gesetzestextes, beginnend mit der bundesrätlichen Botschaft und endend mit dem Text der Einigungskonferenz vom 9. Juni 2021, nachdem das Geschäft dreimal beim Nationalrat und dreimal beim Ständerat war. Gemäss Bundesrat hätte der Auftakt dieses Gesetzesartikels gelautet: «Um neue Modelle zur Eindämmung der Kostenentwicklung zu erproben, kann das EDI Pilotprojekte in folgenden Bereichen bewilligen: …». Daraus wurde im Parlament: «Um neue Modelle zur Eindämmung der Kostenentwicklung, zur Stärkung der Anforderungen der Qualität oder zur Förderung der Digitalisierung zu erproben, kann das EDI nach Anhörung der interessierten Kreise Pilotprojekte in folgenden Bereichen bewilligen: …».
Gut schweizerisch bewilligt der Bundesrat nicht einfach so, sondern erst «nach Anhörung». Und als Begründung für Pilotprojekte gilt nun nicht mehr bloss die Aussicht auf weniger steil steigende Kosten, sondern auch auf bessere Qualität der Behandlung und auf Förderung der Digitalisierung. Inhaltlich ist dagegen sicher nichts einzuwenden; im Gegenteil müsste die Qualität der Behandlung eigentlich immer das wichtigste Argument sein (Und es ist nicht gleichzusetzen mit Verteuerung der Behandlung!). Gleichwohl lässt der definitive Wortlaut erahnen, dass von der «Eindämmung der Kostenentwicklung», wie es im Titel des neuen Gesetzeskapitels nach wie vor heisst (!), kaum viel zu erkennen sein wird. Und dabei was das Paket 1a erst der scheinbar unbestrittene Teil des Gesamtpakets…
Ich meine: Die drei wirklichen Probleme sind erstens strukturelle Überkapazitäten in etlichen Behandlungsfeldern, zweitens Fehlanreize bei der Wahl zwischen günstigerer oder teurerer Behandlungsart (bei gleich guter Ergebnisqualität für die Gesundheit oder Heilung!) – und drittens das unselige Kopfprämiensystem unserer obligatorischen Krankenversicherung.